Samurai 4: Der Ring der Erde (German Edition)
Ninja durch unser Handeln Krieg ganz vermeiden.«
»Aber ihr seid Söldner ohne Ehre«, entgegnete Jack.
»Das haben dir die Samurai eingeredet. In Wirklichkeit sind wir Bauern, die auf ihre Art leben wollen. Die Clans des Iga-Gebirges werden seit Generationen von den Samurai verfolgt. Vor dreißig Jahren hätte der Feldherr Oda Nobunaga uns fast ganz ausgelöscht. Die Menschen unseres Dorfes haben zwar überlebt, aber Daimyo Akechi verfolgt uns bis zum heutigen Tag. Wusstest du, dass Hanzos Eltern von Samurai ermordet wurden?«
Jack schüttelte erschrocken den Kopf.
»Die Ninja mögen sich von den Samurai so stark unterscheiden wie der Mond von der Sonne«, sagte Soke, »aber wir sind nicht die Teufel, für die du uns hältst, und die Samurai beileibe keine Heiligen.«
Jack nickte. »Daran glaubt Ihr. Ich kann es nicht.«
»Ich sehe, es braucht Zeit, dich zu überzeugen. Sag mir nur eins, Jack: Wer verfolgt dich jetzt, in diesem Moment? Und wer schützt dich?«
Sie kannten beide die Antwort.
»Entscheidend ist, wie ich ganz am Anfang sagte, dass man einander vertraut«, fuhr Soke fort. »Ich vertraue dir jetzt, indem ich dir deine Schwerter zurückgebe. Ich weiß, wie viel sie einem Samurai bedeuten.«
Er holte die beiden Schwerter aus seinem Zimmer und legte sie mit einer Verbeugung vor Jack hin.
»Ich kann also gehen?«, fragte Jack überrascht.
»Bitte sehr, geh!« Soke zeigte auf Jacks Tasche, die unberührt neben der Tür stand. »Aber der Shogun scheint sich sehr für dich zu interessieren. Ich wäre überrascht, wenn du länger als einen Tag überleben würdest.«
Jack hob seine Schwerter auf. »Das Risiko gehe ich gerne ein.« Er ging zur Tür.
»Du hast auch eine andere Wahl«, sagte Soke.
»Und die wäre?« Jack blieb misstrauisch stehen.
»Bleib hier, bis die Samurai dich anderswo suchen. Du hast noch eine lange Reise vor dir. Wenn du dir davor einige Fähigkeiten der Ninja aneignest, kommst du vielleicht lebend ans Ziel.«
»Ich soll ein Ninja werden?«
Soke lächelte. »Nur wenn du selbst einer wirst, kannst du den Weg des Ninja wirklich verstehen.«
13
Wetthängen
Jack ging nach draußen. Er schulterte seine Tasche und machte sich auf den Weg zur einzigen Straße des Dorfes. Der Alte war doch nicht bei Sinnen! Wie konnte er vorschlagen, Jack solle ein Ninja werden? Diese Idee auch nur in Betracht zu ziehen beschmutzte das Andenken seines Vaters. Die Ninja waren ehrlose Mörder.
Wirklich? Soke hatte Zweifel in ihm gesät. Ein einzelner Baum macht noch keinen Wald.
Auf dem Weg durch das Dorf fiel Jack auf, wie normal alles schien. Menschen verbeugten sich, wenn er sich ihnen näherte, Bauern bestellten hinter den Häusern ihre Felder und auf dem Dorfplatz spielten Kinder. Sie sahen aus wie die Kinder aller Bauernfamilie n – nicht wie die Kinder von Mördern.
Ein kleines Mädchen rannte ihm entgegen. »Wohin gehst du, Tengu?«, fragte es.
Jack erkannte es. Das Mädchen hatte am Tag zuvor an seiner Übungsstunde im Schwertkampf teilgenommen. »Nach Hause.«
»Gefällt es dir hier nicht?«
»Doch, schon«, gab Jack zu, »aber ich muss nach Hause zu meiner Schwester.«
»Wie heißt sie?«
»Jess. Sie ist erst zehn.«
»Wie ich!«, krähte das Mädchen. »Ich soll dir übrigens das hier geben.«
Das Mädchen reichte Jack eine kleine, orangerote Frucht.
»Was ist das?«
»Eine mikan. Probier!«
Jack wollte schon hineinbeißen, doch dann hielt er inne. Wollte ihn jemand hereinlegen?
»Sie schmeckt sehr gut!«, beharrte das Mädchen und zog eine zweite Frucht aus seinem Kittel. »Soke sagt, du sollst sie zuerst schälen, damit du an das Fruchtfleisch kommst.«
Das Mädchen hüpfte fröhlich in Richtung Dorfplatz davon und verspeiste dabei seine Frucht.
Jack betrachtete die mikan in seiner Hand. Was führte Soke diesmal im Schilde? Das Geschenk wirkte unschuldig und die Schale schien unversehrt. Er entfernte sie sorgfältig und stieß drinnen auf eine fleischige, in Schnitze unterteilte Frucht. Vorsichtig steckte er sich ein Stück in den Mund. Es schmeckte so süß, dass Jack unwillkürlich lächeln musste. Vielleicht verstand er ja doch, was Soke ihm damit sagen wollte. Er hatte auf der Niten Ichi Ryu so viele Koans und Rätsel von Sensei Yamada lösen müssen, dass er mit verschlüsselten Botschaften keine Schwierigkeiten mehr hatte. Wahrscheinlich stand die Frucht für seine Vorstellung von den Ninja. Die Schale war sein falsches Bild, das essbare Fruchtfleisch im Inneren
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