Samurai 4: Der Ring der Erde (German Edition)
Soke schmunzelte. »Deshalb habe ich sie ja auch ausgewählt!«
Während Soke einige abschließende Worte an die Schüler richtete und den Unterricht beendete, zischte Miyuki Jack zu: »Soke ist vielleicht zufrieden, aber ich lasse mich nicht so leicht beeindrucken. Beanspruche unsere Gastfreundschaft nicht über Gebühr, Samurai. Du bist kein Ninja und wirst auch nie einer sein.«
Jack erschrak. An Miyukis Feindschaft hatte sich offenbar rein gar nichts geändert, während die anderen Ninja ihn allmählich als einen der ihren betrachteten. Er wusste nicht, womit er einen solchen Hass auf sich gezogen hatte. Er dachte an das Training mit Akiko an der Niten Ichi Ryu. Unbegreiflich, wie zwei Mädchen so verschieden sein konnten!
Akiko und Miyuki waren wie Feuer und Eis. Mit Akiko hatte das Training Spaß gemacht, mit Miyuki war es eine Qual. Wenn Soke Miyuki nicht so geschätzt hätte, wäre Jack gar der Verdacht gekommen, sie sei die Ninjaschwester Kazukis. Miyuki mochte so begabt sein, wie sie wollte, sie kam ihm hart wie Granit vor und ähnlich bösartig wie sein alter Rivale an der Schule.
Akiko war nicht weniger begabt als sie und auch ihr Wille hatte die Durchschlagskraft einer Samuraiklinge. Doch zugleich hatte Akiko eine sanfte Seite. Sie begegnete anderen mit Wärme und uneingeschränktem Mitgefühl. Jack vermisste sie schrecklich.
21
Reispapier
Hanzo rannte an Sokes Haus vorbei, so schnell er konnte, dicht gefolgt von Kobei und zwei weiteren Jungen. Neugierig geworden, unterbrach Jack seine Übung im lautlosen Gehen und sah den Jungen nach. Sie liefen die Straße hinauf und an einigen Dorfbewohnern vorbei, die über ihre Eile nicht weiter beunruhigt schienen. Die Jungen erreichten den Teich, umrundeten den großen Baum mit den herunterhängenden Ästen und kamen denselben Weg wieder zurück. Als sie sich dem Haus jetzt aus der anderen Richtung näherten, bemerkte Jack, dass an ihrer Brust Strohhüte klebten.
»Was macht ihr da?«, rief er.
»Wir übe n … schnelles Laufen«, keuchte Hanzo.
»Und die Hüte?«
»Treiben uns an«, antwortete Hanzo und stürmte an ihm vorbei, ohne stehen zu bleiben. »Sie dürfe n … nich t … herunterfallen.«
Gefolgt von einer Staubwolke rannte er in Richtung des Schreins. Kobei war ihm auf den Fersen, die anderen beiden Jungen waren inzwischen weit zurückgefallen. Wenigstens erklärte das, warum Hanzo bei ihrer Fluchtübung so auffallend schnell gewesen war.
»Beeindruckend, was?«
Jack wandte sich um. Soke sah Hanzo stolz nach.
Jack nickte. »Er überrascht mich immer wieder. Im Kampfunterricht ist er nach den wenigen Stunden schon so geschickt, dass er mit einem richtigen Schwert üben kann. Als sei er mit einem Schwert in den Händen geboren worden. Woher hat er das? Von seinen Eltern? Oder von Euch?«
»Nein, nei n … Er ist ein Naturtalent, genau wie du.«
»Ich?«, fragte Jack, überrascht von diesem unerwarteten Kompliment.
Soke nickte. »Ich fürchtete, deine Samuraiausbildung könnte dich beim ninjutsu behindern, aber du hast dir die Grundlagen sehr schnell angeeignet. Noch mehr beeindruckt mich, dass du dich schon beinahe geräuschlos fortbewegen kannst.« Auf Sokes runzligem Gesicht breitete sich ein verschmitztes Grinsen aus. »Jedenfalls viel besser als letzte Woche, als Momochi und ich Tee getrunken haben und du dich an uns rangeschlichen hast.«
Jack lief knallrot an.
»Das braucht dir nicht peinlich zu sein. Spionieren ist wichtig für einen Ninja.«
Jack schämte sich trotzdem furchtbar. »Vielleicht sollte ich bald wieder aufbrechen«, sagte er. »Ich bin schon zu lange hier.«
»Unsinn.« Soke machte eine wegwerfende Handbewegung. »Du hast erst angefangen, die fünf Ringe zu verstehen. Es wäre unverantwortlich von mir, dich jetzt schon gehen zu lassen.«
»Aber Momoch i …«
»Momochi leidet ab und zu an Verfolgungswahn«, fiel Soke ihm ins Wort. »Was aber auch sein Gutes hat. Es ist wichtig, dass jemand kritische Fragen stellt. Momochis Misstrauen hat sich schon oft bezahlt gemacht. Er spürt Probleme im Voraus.«
»Aber dann sollte ich wirklich gehen«, beharrte Jack. »Ich will das Dorf nicht noch mehr gefährden, als ich es ohnehin schon tue.«
Doch eigentlich wollte er trotz seiner selbstlosen Worte gar nicht aufbrechen. Er fühlte sich hier in diesem Tal sicher. Zugegeben, Momochis Absichten machten ihm Sorgen, aber noch mehr ängstigten ihn die Samurai, die ihn suchten. Zwar wollte er keinen Tag länger als notwendig
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