Samurai 4: Der Ring der Erde (German Edition)
eine zweite Armee aufbauen.«
»Ein Grund mehr stillzuhalten.«
»Ein Grund mehr, den Jungen auszuliefern. Wir wissen nicht, wem er dient. Er könnte uns verraten, wenn er dafür seine Freiheit wiedererhält.«
»Das glaube ich nicht.« Soke setzte seine Schale ab. »Jack mag ein Samurai sein, aber er ist ein anständiger Mensch und hat ein reines Herz, das eines Ninja würdig ist.«
»Du setzt zu viel Vertrauen in diesen Gaijin, Soke. Ich werde mit Shonin sprechen. Vielleicht bringt er dich zur Vernunft.«
Momochi verbeugte sich knapp und entfernte sich in Richtung des großen Hauses in der Dorfmitte.
Jack wartete darauf, dass der Großmeister hineinging.
Warum will Soke mir unbedingt helfen?, fragte sich Jack. Er hatte allmählich das Gefühl, dass der Alte sich die Schuld an seinem Unglück gab. Oder Soke wusste von dem Portolan und wollte sich Jacks Vertrauen erschleichen, damit er ihm den Code verriet. Aber er konnte sich kaum vorstellen, dass Soke und sein Clan, hier in der völligen Abgeschiedenheit ihres Zufluchtsortes, etwas von Drachenauge oder den politischen Zielen seines Auftraggebers Pater Bobadillo gehört hatten, geschweige denn an deren Plänen beteiligt gewesen waren.
Ein einzelner Baum macht noch keinen Wald, hatte Soke gesagt. Jack hatte in der kurzen Zeit, die er hier unter den Ninja lebte, schon viel besser begriffen, was er damit meinte. Zwar kannte er die Ziele des Großmeisters nicht, aber er war heilfroh, von ihm die Kunst der Ninja erlernen zu dürfe n – vielleicht kam er mit ihrer Hilfe endlich ans Ziel seiner Reise.
Obwohl er nach wie vor keinen Grund hatte, den Ninja zu trauen, brachte er inzwischen Verständnis für ihre Lage auf. Daimyo Akechi schien ein Tyrann zu sein. Jack wollte dem Dorf durch seine Anwesenheit nicht noch mehr Probleme bereiten. Andererseits würde genau das passieren, wenn er jetzt aufbrach und erwischt wurde. Er war ein Gefangener der Umstände. Am besten wartete er, wie mit Soke vereinbart, bis die Samurai ihre Suche einstellten.
Bis dahin musste er sich vor Momochi in Acht nehmen. Momochi würde ihn zweifellos bei der ersten Gelegenheit opfern.
20
Sechzehn geheime Fäuste
Jack verzog das Gesicht. Miyuki hatte ihn in die Knie gezwungen, der Schmerz lähmte ihn beinahe vollständig. Miyuki hielt nur seinen Daumen fest, aber sie drückte ihn zusammen wie mit einem Schraubstock. Als zusätzliche Demütigung stand sie noch auf Jacks Zehen.
»So geht der Daumengriff«, sagte sie und ließ ihn los.
Jack hatte in den vergangenen zwei Wochen neben Ausweich- und Fluchttechniken auch verschiedene Griffe des waffenlosen Kampfes geübt, wie die Ninja sie praktizierten. Anfangs war er überrascht gewesen, wie sehr sie sich von den Griffen unterschieden, die an der Niten Ichi Ryu gelehrt worden waren, doch inzwischen hatte er sie schätzen gelernt, denn sie waren sehr wirksam. Das Ziel des waffenlosen Kampfes war nicht in erster Linie der Tod des Gegners, sondern die Flucht. Und während die Samurai jede einzelne Bewegung bis zur Vollendung perfektionierten, übten die Ninja einen Griff selten mehr als fünfmal pro Unterrichtsstunde.
»Ein starrer Ablauf macht verletzbar«, hatte der Großmeister zu Beginn des Unterrichts gesagt. »Jede feste Ordnung hat diese Schwäche. Das ist auch der Nachteil der Kampfkunst der Samurai. Nimm das Fundament unter dem Haus weg und es stürzt ein.«
Soke hatte an Jack vorgeführt, was er damit meinte. Jack hatte ihn ganz klassisch mit einem Faustschlag angegriffen. Soke war ihm geschickt ausgewichen und hatte ihm auf den vorgestellten Fuß und dann in die Kniekehle getreten. Jack war so damit beschäftigt gewesen, das Gleichgewicht zu halten, dass Soke ihn, bevor er sich wehren konnte, schmerzhaft unter seinem Arm eingeklemmt und zu Boden geschleudert hatte.
»Im ninjutsu gibt es keine richtige oder falsche Methode«, hatte der Großmeister erklärt. »Der Griff muss nur wirkungsvoll sein. Jeder Angriff, den man abwehren muss, erfolgt aus einer anderen Entfernung und mit einer anderen Geschwindigkeit, man muss also auch unterschiedlich darauf antworten. Lernt die grundlegenden Techniken und wandelt sie je nach Situation ab.«
Bisher war jede Unterrichtsstunde im waffenlosen Kampf eine schmerzhafte Erfahrung gewesen. Doch noch nie war es so schlimm gewesen wie an diesem Tag. Soke hatte ihm Miyuki als Partnerin ausgesucht und Miyuki übte die schmerzhaftesten Griffe und Hebeltricks mit ihm.
Jack stand auf und rieb sich den
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