Samurai 4: Der Ring der Erde (German Edition)
verleiten und dann angreifen.«
Die Schüler hatten sich im Totstellen versucht, aber diese Technik hatte sich als unerwartet schwer herausgestellt. Viele der jüngeren Schüler platzten immer wieder kichernd heraus, Tenzen musste niesen und Jack hatte Schwierigkeiten, die Augen starr offen zu halten, ohne zu blinzeln. Hanzo dagegen hatte so überzeugend gewirkt, dass es schon fast unheimlich war: Er hatte nicht einmal gezuckt, als der Großmeister ihn mit seinem Stock zweimal angestoßen hatte.
»Essen ist fertig!«, rief Soke vom Eingang.
Hanzo juchzte. »Ich bin schon halb verhungert!« Er verbeugte sich hastig vor Jack und eilte nach drinnen.
Jack lächelte. Ihm war immer noch völlig rätselhaft, wie Hanzo sich so lange hatte tot stellen können. Der Junge konnte doch sonst keine Minute still sitzen!
Nach dem Essen schlug Soke vor, Jack solle in den Reisfeldern das lautlose Gehen üben. Hanzo war zum Spielen mit seinem Freund Kobei verschwunden. Der Abend war angenehm warm und die Sonne schimmerte auf den von Wasser bedeckten Reisfeldern wie flüssiges Gold. Jack krempelte seine Hosenbeine hoch und betrat das Feld hinter dem Haus. Der Schlamm unter seinen Füßen fühlte sich sehr weich an. Er rief sich ins Gedächtnis, dass er mit dem Fuß senkrecht eintauchen und das hintere Bein ganz aus dem Wasser ziehen musste, und machte sich auf den Weg zum anderen Ende.
Mit jedem Schritt liefen neue Wellen durch das Spiegelbild des Himmels. Doch je weiter Jack vorankam, desto geschickter wurde er, bis er die Wasseroberfläche kaum noch aufwühlte. Er stellte fest, dass beim Eintauchen des vorderen Beins das Gleichgewicht eine entscheidende Rolle spielte. Mit den Zehen im richtigen Winkel konnte er fast geräuschlos eintauchen und die Wellen waren viel kleiner. Der einzige Nachteil war, dass er dabei langsamer vorankam als eine Schnecke.
Als er das Feld zur Hälfte überquert hatte, musste er lachen, so absurd kam ihm vor, was er gerade tat. Da stand er mitten in Japan bis zu den Knöcheln in einem gewässerten Reisfel d – ein ehemaliger Schiffsjunge, der Samurai geworden war und jetzt gerade lernte, sich wie ein Ninja fortzubewegen! Er konnte sich lebhaft vorstellen, was sein Freund Saburo dazu sagen würde. Nicht dass seine Samuraifreunde jemals etwas davon erfahren sollten. Seine Ausbildung zum Ninja war ihm immer noch nicht geheuer. Aber wenn er ungeschoren bis Nagasaki kommen wollte, hatte er keine andere Wahl. Er konzentrierte sich wieder auf seine Füße und übte weiter.
Die Sonne berührte bereits die Berge, als Jack zum Ausgangspunkt zurückkehrte. Er wollte gerade wieder vom Feld zum Weg hinaufsteigen, da hörte er zwei Männer, die heftig miteinander diskutierten.
»Wie ich höre, bringst du unserem Gast ninjutsu bei«, sagte eine Stimme missbilligend.
»Ja, und ich finde, er hat Talent.«
Jack stieg leise aus dem Wasser, ging lautlos zur Rückseite des Hauses und spähte um die Ecke. Momochi, der Stellvertreter des Dorfoberhaupts, saß mit Soke unter dem Baum vor dem Haus und trank Tee.
»Aber du verrätst ihm dabei unsere wichtigsten Geheimnisse«, knurrte Momochi ungehalten. Sein Schnurrbart zuckte erregt.
»Nicht alle, nur solche, die er für seine Reise braucht.«
»Aber er ist ein Samurai! Und dazu ein Ausländer! Was du tust, verstößt gegen unsere Traditionen und muss aufhören.«
Soke schüttelte den Kopf. »Ich als Großmeister bestimme, wer unsere Kunst erlernen darf. Frag Shonin. Außerdem müssen wir dem Jungen helfen, nach allem, was Drachenauge ihm angetan ha t …«
»Ich kann nicht zulassen, dass du aus falschen Schuldgefühlen das ganze Dorf gefährdest«, fiel Momochi ihm wütend ins Wort. »Der Junge ist eine ständige Bedrohung für uns. Die Samuraipatrouillen häufen sich. Eine Auslieferung an Daimyo Akechi wäre schnell arrangiert und unser Dorf wäre wieder sicher.«
»Ich habe dir bereits gesagt, mit diesem Fürsten kann man nicht verhandeln«, entgegnete Soke mit Nachdruck. »Akechi will genau wie damals Nobunaga die Ninja ausrotten. Wenn er den Jungen in die Finger bekommt, stärkt das nur seinen Einfluss auf den Shogun. Er darf ihm nicht einreden können, Ninja seien auch in Friedenszeiten eine Bedrohung. Wenn es ihm gelingt, den Shogun auf seine Seite zu ziehen, haben wir keine Chance mehr.«
»Aber laut unseren Spähern bereitet Akechi unabhängig von der Unterstützung des Shoguns eine Offensive vor. Wie ich gehört habe, will er in seiner Burg in Maruyama
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