Samurai 4: Der Ring der Erde (German Edition)
bei den Ninja bleiben, aber der ninjutsu -Unterricht verbesserte ganz ohne Zweifel seine Chancen, Nagasaki lebend zu erreichen.
Soke legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter. »In deinem Fall irrt Momochi sich. Ich habe mit Shonin gesprochen und er ist meiner Meinung. Deine Gegner suchen längst nicht mehr so fieberhaft nach dir, aber es patrouillieren nach wie vor Samurai an den Rändern des Gebirges. Du solltest noch eine Weile bleiben. Geduld ist nicht nur eine Tugend, sie kann einem Ninja auch das Leben retten.«
Jack war erleichtert, dass auch Shonin auf seiner Seite stand. Miyuki würde dagegen nicht begeistert sein, wenn er noch blieb. Sie würde ihm das Leben so schwer wie möglich machen.
»Komm mit, wir müssen noch an deiner Technik des lautlosen Gehens feilen.« Soke ging ihm voran ins Haus.
Auf dem Boden des Eingangsbereichs lagen einige lange Bahnen Reispapier. Sie verliefen von der Eingangstür zum erhöhten Holzboden und jemand hatte sie mit Wasser befeuchtet.
»Deine Aufgabe ist es, auf diesen Bahnen entlangzugehen, ohne dass das Papier reißt.«
Eine Aufgabe, die Jack für unlösbar hielt. Das Papier war schrecklich dünn.
»Dazu brauchst du uki-ashi«, erklärte Soke. »Die Technik der schwebenden Füße.«
Der Großmeister senkte die Zehenspitzen auf das Papier und trat behutsam mit dem restlichen Fuß auf. »Stell dir vor, jeder Schritt sei so leicht wie eine Feder.«
Jack traute seinen Augen nicht. Soke schien förmlich über dem Papier zu schweben. Er durchquerte den Raum und hinterließ keinerlei Abdruck oder Spur. Für das ungeübte Auge sah es aus wie Zauberei.
»Jetzt du.« Soke stieg auf den Holzboden, um seinem Schüler zuzusehen.
Jack holte tief Luft und senkte langsam die Zehen auf das Papier, genau wie Soke es vorgemacht hatte. So weit, so gut. Er trat mit der ganzen Sohle auf und setzte zum nächsten Schritt an. Doch als er das hintere Bein hob, hörte er das Papier reißen.
»Denk an den Ring des Windes«, rief Soke. »Du musst schweben, nicht gehen.«
Jack versuchte es noch einmal. Er machte sich ganz leicht und stellte sich vor, er sei eine Feder. Sein Gleichgewichtsgefühl hatte er durch das viele Üben in den Reisfeldern deutlich verbessert, aber das Papier riss trotzdem bei jedem Schritt.
Die Tür ging auf und Hanzo stürmte erhitzt und atemlos herein.
»Schwebende Füße!«, rief er. »Das liebe ich!«
Er kickte die Sandalen von den Füßen und begann ebenfalls über das Papier zu laufen. »Ich wette, ich bin vor dir am Ziel, Tengu!«
»Das ist kein Wettrennen, Hanzo«, mahnte Soke lächelnd. »Wenn du nicht aufpasst, stürzt dich dein Ungestüm eines Tages ins Verderben.«
Wie um die Wahrheit seiner Worte zu beweisen, riss die Papierbahn ein. Hanzo hatte versucht, Jack zu überholen.
»Es ist nichts«, verteidigte sich Hanzo und zeigte mit Daumen und Zeigefinger an, wie unbedeutend der Riss war.
Soke schüttelte den Kopf. »Riss ist Riss. Der kleinste Fehler kann einen Einsatz zum Scheitern bringen, vergiss das nicht. Dein Leben kann davon abhängen.«
»Ja, Soke«, antwortete Hanzo beschämt.
»Man braucht Geduld, bis man uki-ashi vollkommen beherrscht«, fuhr Soke fort. »Doch wer es meistert, ist imstande, jede beliebige Oberfläche lautlos zu überqueren.«
»Auch einen Nachtigallenboden?«, fragte Jack.
Vor zwei Jahren hatte Daimyo Takatomi, der Fürst der Provinz Kyoto, Jack in seine Burg eingeladen und ihm eine sehr bemerkenswerte Sicherheitsvorkehrung gegen Attentate vorgeführ t – einen Holzboden auf metallenen Scharnieren, die wie Vögel zwitscherten, sobald man sie mit dem Fuß belastete. Wer den Boden betrat, alarmierte unweigerlich die Wache n – angeblich schaffte es nicht einmal ein Ninja, ihn lautlos zu überqueren.
»Ein solcher Boden ist die größte Herausforderung«, gab Soke zu. »Ich kenne nur einen Mann, der sie vollkommen beherrscht.«
»Zeigst du mir, wie es geht, Großvater?«
»Wenn du es schaffst, mir unbemerkt das Kissen unter dem Kopf wegzuziehen, während ich schlafe, hast du uki-ashi wahrhaftig gemeistert und kannst auch über einen Nachtigallenboden gehen.«
Soke tätschelte dem Jungen liebevoll den Kopf. Dann hockte er sich vor den Herd und machte Feuer für das Abendessen.
Hanzo blickte enttäuscht an Jack hinauf.
»Das ist leider unmöglich«, flüsterte er betrübt. »Ich habe es versucht, aber er wacht immer auf!«
22
Shuriken
»Wie kommst du mit der Bambusflöte zurecht?«, erkundigte sich
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