Samurai 7: Der Ring des Windes (German Edition)
Antwort. »Dann lasse ich mir eben Zeit beim Entschlüsseln und Erklären des Portolans. Irgendwann bietet sich bestimmt eine Gelegenheit zur Flucht.«
Miyuki sah ihn an. »Ich verstehe dich nicht. Du gibst das Einzige, das deine sichere Heimreise garantiert, einfach weg. Schlimmer noch, du brichst das Versprechen, das du deinem Vater gegeben hast. Ich dachte, du hättest ihm versprochen, die Geheimnisse des Portolans niemandem zu verraten – und das Logbuch nicht in falsche Hände fallen zu lassen. Ein echter Ninja würde nie seinen Clan durch die Weitergabe eines Geheimnisses verraten, schon gar nicht an Leute wie Tatsumaki. Die Piratenkönigin ist doch der letzte Mensch auf der Welt, dem du so etwas anvertrauen darfst.«
Ihre Worte trafen Jack. Es stimmte, er hatte einen Pakt mit dem Teufel geschlossen und litt darunter. »Aber ich konnte doch nicht zulassen, dass sie dich tötet.«
Miyuki sah ihn mit ihren nachtschwarzen Augen an. »Jack, du weißt doch, dass ich jederzeit für dich sterben würde …«
Die Tür glitt auf und Schädelgesicht ließ einen Stapel sauberer Kleider auf den Boden fallen.
»Nebenan ist ein Bad. Ihr könnt es abwechselnd benutzen. Natürlich unter Bewachung.« Er schien sich zu ärgern, dass er ihren Diener spielen musste. Finster sah er Jack an. »Halte dich bei Sonnenuntergang bereit. Dann erwartet Tatsumaki deinen Besuch.«
Er wandte sich zum Gehen.
»Wo ist Cheng?«, wollte Jack wissen. »Geht es ihm gut?«
Schädelgesicht grinste hämisch. »Den seht ihr nie wieder, das kann ich euch versichern.«
Sie schwiegen bedrückt und der Nachmittag schleppte sich dahin. Cheng war zwar nie wirklich ein Mitglied ihrer Gruppe gewesen, aber er hatte ihnen gegenüber Mitgefühl gezeigt und ihnen mehrmals das Leben gerettet, deshalb schmerzte sie sein Verlust. Jack hatte sich regelrecht an die Gesellschaft des freundlichen Jungen gewöhnt und vermisste ihn.
»Das Herz, das nicht am Gelben Fluss angekommen ist, ist nicht tot«, murmelte Yori. »Ich muss Sensei Yamada unbedingt von diesem Sprichwort erzählen. Es erteilt uns eine Lehre …«
»… die wir beherzigen sollten«, beendete Jack den Satz. »Unsere Reise ist noch nicht zu Ende. Denkt daran, wo Freunde sind, da ist auch Hoffnung.«
Yori lächelte tapfer. Wie oft hatten sie das zueinander gesagt. Doch sein Lächeln erlosch sofort wieder, als ein brutal aussehender Wächter die Tür aufriss.
»Der Nächste«, knurrte er und stieß den frisch gewaschenen Saburo ins Zimmer.
Nachdem Jack gegessen, gebadet und einen sauberen Kimono angezogen hatte, fühlte er sich wieder bei Kräften und bereit für die vor ihm liegenden Herausforderungen. Sie hatten besprochen, dass sie zunächst abwarten und die Winddämonen beobachten wollten. Sie wollten die Festung der Piraten auf Schwachstellen prüfen, sich heimlich Waffen und den für ihre weitere Fahrt nötigen Proviant beschaffen und nach einem geeigneten Schiff für ihre Flucht Ausschau halten. Da sie die Pirateninsel in der Nacht erreicht hatten, mussten sie außerdem die Lage der Insel im Seto-Binnenmeer herausfinden. Erst dann hatte ein Fluchtversuch Aussicht auf Erfolg.
Die Tür ging auf. »Mitkommen, Gaijin«, befahl der Wächter barsch.
Jack ließ seine Freunde zurück und folgte dem Mann zum Balkon. Die Sonne ging gerade hinter der Zitadelle unter und der Krater unter ihm lag ihm Schatten. Entlang der Stege an der Felswand brannten Fackeln. Die Flammen vor dem Felsen sahen aus wie brennende Lava. Doch merkwürdigerweise war die Lagune selbst die stärkste Lichtquelle. Das Wasser leuchtete blau, erfüllt von Schwaden schimmernder Punkte, als wäre eine ganze Galaxie von Sternen ins Meer gefallen. Es war ein wahrhaft zauberhafter Anblick und Jack blickte andächtig hinunter.
»Meeresglühwürmchen«, sagte eine Stimme hinter ihm.
Jack drehte sich um. Hinter ihm stand ein Mädchen mit schwarzen Haaren, mandelförmigen Augen und schmalen, fein geschwungenen Lippen. Sie trug eine jadegrüne chinesische Seidenbluse und einen dazu passenden, mit silbernen Wolken bestickten Rock.
»Das weiß ich von Tatsumaki.«
Jack musste zweimal hingucken. »Bist du das, Cheng?«
Das Mädchen nickte und machte eine Verbeugung. »In Wirklichkeit heiße ich Li Ling.«
»Wir haben gedacht … du seist tot«, stotterte Jack verwirrt. »Und ein Junge!«
Li Ling lächelte entschuldigend. »Tut mir leid, dass ich euch getäuscht habe. Niemand durfte es wissen. Aber Tatsumaki hat meine
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