Samurai 7: Der Ring des Windes (German Edition)
hätte man ihnen mit dem Tod gedroht.
»Woher kommst du?«, fragte Li Ling, um die Spannung zu brechen.
»Aus London in England«, antwortete Jack. »Deshalb sind wir nach Nagasaki unterwegs. Ich suche nach einem Handelsschiff, das mich nach Hause mitnimmt.«
»Aber warum Nagasaki?«, fragte Captain Kujira. »In Osaka gibt es auch viele Schiffe, mit denen du fahren könntest.«
»Die japanischen Schiffe kämen nicht über das offene Meer«, erklärte Jack. »Sie liegen zu tief im Wasser und führen nicht genügend Segel. Nur eine europäische Galeone kann eine so weite Strecke zurücklegen.«
»Was heißt weite Strecke?«, fragte Captain Hebi.
»Man ist zwei Jahre unterwegs, meist ohne Land zu sehen.«
Captain Hebi pfiff durch die Zähne.
»Jetzt verstehe ich, warum der Portolan dir so viel bedeutet«, sagte Tatsumaki.
Jack nickte. »Er ist das Lebenswerk meines Vaters.«
Captain Kujira wandte sich an die Piratenkönigin. »Es ist ja schön und gut, ein solches Logbuch zu haben, aber Beutezüge in ferne Länder erscheinen mir unnötig aufwändig und gefährlich, wenn wir doch schon vor der eigenen Haustür ein so reiches Angebot haben.«
»Ich stimme Euch zu«, meinte Captain Wanizame. »Ohne geeignete Schiffe wäre das höchst riskant.«
»Wir könnten ja mit Hilfe des Gaijin welche bauen«, schlug Captain Hebi vor.
Captain Kurogumo schnaubte. »Er mag ein Seemann sein, aber wohl kaum ein Schiffbauer.«
Die Winddämonen diskutierten über Chancen und Risiken von Raubzügen auf den großen Meeren, und Jack spürte, wie sein Wert für sie im Lauf der Diskussion schwand – und mit ihm seine Überlebenschancen und die seiner Freunde.
»Ihr könntet Schätze erbeuten, die Ihr Euch in Euren wildesten Träumen nicht vorgestellt habt«, meldete er sich deshalb wieder zu Wort. »In Südamerika gibt es Städte aus Gold mit Straßen aus Silber und Flüssen aus Edelsteinen. Wenn Ihr die spanischen und portugiesischen Galeonen überfallt, die diese Gewässer befahren, könntet Ihr in weniger als einem Jahr den Krater dieser Insel bis oben hin mit Schätzen füllen.«
Die Winddämonen blickten mit gierigen Augen auf die Lagune. Die Vorstellung, sie wäre vollständig mit Gold und Edelsteinen ausgefüllt, weckte ihren Piratenhunger.
»Das klingt sehr verlockend. Eigentlich unwiderstehlich«, meinte Tatsumaki. »Findet Ihr nicht auch?«
Die Piratenkapitäne nickten heftig und Jack hatte sich zu seiner Erleichterung wieder etwas Zeit erkauft.
»Ah, das Hauptgericht«, verkündete Tatsumaki erfreut. Vier Diener trugen ein großes Tablett herein und stellten es vor sie hin.
Auf einem riesigen Teller lag eine große, gallertartige Masse. An einem Rumpf hingen lange, spiralig gedrehte Fangarme, besetzt mit Reihen von Saugnäpfen, die im Laternenlicht perlweiß glänzten.
Das Gericht krümmte und wand sich und die Fangarme streckten sich über den Teller.
»Lebender Oktopus! Meine Leibspeise!«, rief Captain Kujira und leckte sich die Lippen.
Jack starrte die zitternde Masse an, unfähig, seinen Ekel zu verbergen. Die Kapitäne schnitten sich jeder einen Arm ab.
»Lebender Oktopus gibt Kraft und Ausdauer«, erklärte Captain Wanizame. Sie schob sich einen zappelnden Tentakel in den Mund und kaute genießerisch.
Captain Hebi hielt einen Fangarm hoch und ließ ihn sich in den Schlund gleiten wie ein Fisch, der einen zappelnden Wurm schluckt. Captain Kujira biss herzhaft in seinen fleischigen Tentakel. Der Fangarm saugte sich an seinem Kinn fest und er musste ihn losreißen, bevor er ein weiteres Stück schlucken konnte.
Tatsumaki bemerkte Jacks entsetzte Miene.
»Vor einer Seeschlacht essen wir immer Oktopus«, erklärte sie und tunkte ihren Tentakel in Sojasoße. »Das Tier schützt uns mit seinen acht Armen vor Gegnern aus allen Richtungen.«
»Ihr zieht in den Krieg?«, fragte Jack, krampfhaft bemüht, sich nicht zu übergeben.
Tatsumaki nickte, riss einen zitternden Oktopusarm ab und gab ihn Jack. Der Arm wand sich in seiner Hand weiter.
»Wir ziehen in den Krieg – also iss!«
37
Piratenleben
Jack musste seine ganze Willenskraft aufbieten, um seinen Brechreiz zu unterdrücken. Der Geschmack des Tentakels war nicht das Problem – er schmeckte nicht einmal schlecht. Doch während er das gummiartige Fleisch kaute, klebten die Saugnäpfe an seinen Zähnen, an der Zunge und am Gaumen fest, sodass er kaum schlucken konnte. Mit langem Kauen brachte er den Arm schließlich doch hinunter.
Li Ling hatte
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