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Samuraisommer

Samuraisommer

Titel: Samuraisommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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dem
Augenblick, als der Mann „Bitte recht freundlich!“ rief, hab ich mich dahinter
versteckt.
    Ich hatte ungefähr an derselben Stelle gestanden, wo der Mann jetzt
stand. Als alle ihn anguckten und er sie durch die Linse anguckte, war ich
hinter den Baum gehuscht. Trotzdem war ich ja mit auf dem Foto.
    Er sah uns kommen. Es war derselbe Mann wie im letzten Sommer, in
demselben viel zu warmen Jackett.
    „Nun ist es also wieder so weit“, sagte er. „Schön, nicht?“
    „Was ist schön?“, sagte ich.
    „Fotografiert zu werden natürlich.“ Er lachte auf, als wäre der
Gedanke nicht nur schön, sondern wahnsinnig witzig. „Magst du keine Fotos,
Junge?“
    „Nicht von mir selber.“
    „Ein hübscher Kerl wie du.“ Er zwinkerte mit einem Auge. „Klar musst
du mit aufs Bild.“ Er nickte Kerstin zu. „Und deine Freundin auch.“
    „Das ist nicht meine Freundin“, sagte ich rasch.
    „Nee, nee“, sagte der Mann und grinste.
    „Das ist nicht mein Freund“, sagte Kerstin.
    „Oh, oh“, sagte der Mann, „ihr habt euch wohl nur zufällig getroffen,
was?“
    Wieder blinzelte er. Es war, als hätte er Fliegendreck ins Auge
gekriegt oder nervöse Zuckungen im Gesicht. Vielleicht wurde man nervös vom
Fotografieren.
    Als ich zwei war, ist Mutter mit mir zu einem Fotografen gegangen,
glaube ich. Ich kann mich nicht daran erinnern, aber er muss mich irgendwie
dazu gebracht haben zu lachen, denn ich lache auf dem Bild. Ich sitze auf
einem kleinen Korbstuhl. Hinter mir hängt ein Vorhang. Alles farblos, nur
schwarz und weiß.
    Einige Jahre später war es wieder so weit, und diesmal lachte ich
nicht. Ich erinnere mich, dass ich dort war und dass der Fotograf sagte, ich
solle lachen, aber ich wollte nicht. Eigentlich hätte Vater mitkommen sollen,
aber als wir losgehen wollten, konnten wir ihn nicht finden.
    Zu Hause gab es ein Foto von Mutter und Vater, da stehen sie auf einem
Marktplatz und lachen in die Kamera. Das war, bevor ich auf die Welt kam.
Vielleicht sind sie deswegen noch so fröhlich. Vielleicht würde es ihnen jetzt
immer noch so gut gehen wie damals, wenn es mich nicht gäbe. Sie würden auf
diesem Marktplatz stehen und mit weißen Zähnen lachen, wie in einer Werbung für
Zahnpasta. Blendax! Ich war auch dabei auf dem Marktplatz. Ich lag in Mutters
Bauch, der sich weit vorwölbte.
    Auf diesem Bild war es Sommer, immer Sommer und er war schwarzweiß.
Der Silberrahmen ließ alles noch schwarzweißer erscheinen. Solange ich mich
erinnern konnte, hatte das Bild auf der Kommode in Mutters und Vaters Schlafzimmer
gestanden. Aber als Vater starb, brachte Mutter alles in die feine Stube, auf
die Kommode. Ich hatte sie vor dem Foto stehen und es wer weiß wie lange
anschauen sehen, als ob sie sich an etwas zu erinnern versuchte, was sie vergessen
hatte.
    Als suchte sie nach etwas auf dem Bild.
    Das Motorrad des Briefträgers war wie ein Düsenflieger durch den Wald
gedröhnt, als Kerstin und ich zurück zum Camp gingen. Das Getöse schwebte über
den Himmel wie das Flugzeug, das Janne und ich gesehen hatten.
    Ich hatte einen Brief bekommen. Er war natürlich von Mutter. Ich hatte
vorgehabt, ihr nicht mehr zu schreiben, um mir ihre Briefe zu ersparen, aber
gleichzeitig wollte ich sie haben. Ich wollte sie nicht lesen und ich wollte
sie doch lesen. Eigentlich ging es mir nicht darum, was sie schrieb, es war nur
wichtig, dass etwas von draußen hier hereinkam. Der Beweis, dass es draußen
noch eine andere Welt gab. Und der Briefträger auf dem Donnerstuhl lieferte den
Beweis. Triumph Bonneville. Er hatte etwas für mich dabei. Das Kuvert allein
hätte genügt.
    Ich saß auf der Treppe. Auf dem Hof war es still. Die meisten saßen
im Schatten und warteten darauf, dass die Sonne unterging. Es war ein seltsamer
Sommer. Die Sonne war fast zum Feind geworden. Man bekam Kopfschmerzen, wenn
man sich mitten am Tag im prallen Sonnenlicht aufhielt, und ständig wurde vor
Waldbrandgefahr gewarnt.
    Im Radio hatten sie von Waldbränden im Norden berichtet. Vor einigen
Tagen waren zwei Transportflugzeuge mit riesigen Wassertanks über die Dächer
geflogen. Ich war den Flugzeugen mit dem Blick gefolgt, konnte aber nicht
sehen, wo sie das Wasser abwarfen. Es muss wie ein Wasserfall ausgesehen
haben. Aber das Feuer war nicht gelöscht worden.
    „Kommt das Feuer auch hierher?“, hatte Klops gefragt, während er neben
mir stand, als das Flugzeug über uns hinwegflog.
    „Hängt wahrscheinlich davon ab, von wo der Wind
weht“,

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