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Samuraisommer

Samuraisommer

Titel: Samuraisommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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doch.“
    Klops sagte nichts. Wir schauten auf das kurze Schwert. Vorsichtig
prüfte ich die Klinge. Sie war scharf.
    Christian Tyrann und die Alte hatten einen riesigen Fehler begangen,
dass sie nicht auch dieses Schwert gesucht und zerstört hatten. Sie wussten
nicht, wozu ein Samurai es benutzte, und wären überrascht, wenn sie es
verstanden hätten.
     
    Irgendwann in der Nacht erwachte ich aus einem Traum, der voller Feuer
gewesen war. Ich stand mitten in den Flammen und konnte niemanden sehen. Ich
hörte Rufe, aber ich wusste nicht, wer rief. Dann stand ich vorm Feuer und sah,
wie die Flammen hoch in den Himmel schlugen. Aber es gab keinen Himmel, nur Feuer.
Ich war auf dem Weg zurück in die Flammen, da wurde ich wach. Mein Körper war
schweißbedeckt, als wäre es nicht nur ein Traum gewesen. Ich hatte den Geruch
von Rauch in der Nase.
    Überall war es still. Dann hörte ich draußen etwas kratzen. Es klang,
als würde sich jemand über den Hof bewegen. Eine Weile wurde es wieder still.
Und dann wieder das Schaben. Das Fenster war wie ein helles Gemälde an der
Wand. Der Fußboden war kalt unter meinen Füßen, als ich zum Fenster ging. Klops
bewegte sich im Schlaf, hin und her, als wollte er einen Traum abschütteln.
Alle im Saal schliefen. Bis zum Morgen waren es noch Stunden.
    Ich hob den Vorhang an und schaute auf den Hof, sah niemanden, nur
die Wiese, die mehr grau als grün im Mondschein war. Alles dort unten war
grau, als hätten sich die Farben im Schlaf auf die andere Seite gedreht. Jetzt
hörte ich wieder das Kratzen, und ich erkannte, dass es das Karussell war. Es
lag auf der anderen Seite, aber auch das Geräusch bewegte sich, bewegte sich
ums Haus herum. Jetzt quietschte es wieder, ein hohles Quietschen der
verrosteten Scharniere.
    Jemand saß mitten in der Nacht auf dem Karussell und drehte sich. Es
war ein langsames Geräusch, kaum zu hören. Kein Geräusch, von dem man erwachte.
    Ich ging zurück zum Bett, setzte mich hin und dachte nach. Ich
brauchte nicht sehr lange. Dann zog ich meinen Pullover und Shorts an und
schnallte mein kurzes Schwert um. Die Scheide fühlte sich kalt an am Bein.
    Barfuß schlich ich nach unten, der Mond schien in den Speisesaal und
teilte ihn in zwei Teile. Einen für die braven Kinder und einen für die
unartigen.
    Auf der Außentreppe spürte ich einen kleinen Stein unter meinem Fuß.
Wieder ertönte das Schaben und das Quietschen des Karussells. Der, der darauf
saß, brachte es hin und wieder in Schwung, indem er sich mit dem Fuß abstieß.
    Vorsichtig bog ich um die Ecke. Das Gras war feucht. Obwohl die Tage
so heiß waren, wurde es nachts feucht. Oder vielleicht gerade deshalb.
Vielleicht kam die Feuchtigkeit vom See statt von Regen. Die Nächte wurden
schon ein bisschen länger und immer feuchter. Bald war der Sommer zu Ende,
nicht nur für mich.
    Von der Hausecke, wo ich stand, sah ich den See. Nebel trieb über die
Wasseroberfläche aufs Land zu. Auch das Karussell sah ich. Es drehte sich sehr
langsam, aber schnell genug, dass es zu hören war. Jemand saß darauf. Ein Schatten,
der sich rundherum und rundherum drehte. Als er sich auf mich zubewegte, sah
ich eine Zigarette in einem Gesicht aufglühen. Es war Christian.
    Ich zog mich einen Schritt zurück, aber er hatte mich nicht gesehen,
das glaube ich jedenfalls. Er hatte das Gesicht dem Haus zugekehrt, als ob er
dort etwas beobachtete. Ich folgte seinem Blick. Das Einzige, was ich sah,
waren die Fenster der Mädchenschlafsäle.
    Plötzlich setzte er einen Fuß ab und stoppte das Karussell mit einem
leisen Quietschen. Wieder glühte die Zigarette in seinem Gesicht auf. Es wirkte
maskenhaft. Einen Augenblick schaute er über den See, bevor er aufstand und
hinter der Hausecke verschwand. Gleich darauf startete ein Auto. Ich lief zur
anderen Seite und sah die roten Rücklichter durch das große Tor verschwinden.
Wohin wollte er? Es war immer noch Nacht. Er hatte ein Zimmer im Camp.
    Plötzlich kam mir in den Sinn, dass Christian schon von Kindheit an
hier gewesen sein musste. Die Alte war schon viele Jahre Heimleiterin, und als
Christian klein war, musste er mit hier gewesen sein. Wie war es damals? Hat er
mit den Campkindern gespielt? War er mit ihnen draußen im Wald? Ich versuchte
ihn mir als Kind zwischen den anderen vorzustellen, aber ich konnte ihn nicht
sehen, genauso wenig wie ich ihn jetzt noch sehen konnte, als die Lichter
verschwunden waren.
     
    Am Morgen, als ich bei der Alten im Zimmer saß,

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