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Samuraisommer

Samuraisommer

Titel: Samuraisommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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aufstellte. Wenn ich
geschickt war, würde ich einen schlappen Ball zur Seite schlagen, den niemand
fangen könnte, oder ein Riesending über den See, auch wenn der Schlag nicht
zählen würde. Aber gleichzeitig wollte ich, dass Kerstin meinen Ball fing. Ich
wollte einen rekordverdächtig hohen und weiten Ball hinlegen und wollte doch,
dass sie ihn fing.
    Ich schlug und spürte im ganzen Körper, dass ich richtig getroffen
hatte. Der Schlag hämmerte gewissermaßen durch Holz und Arm, Schulter und Kopf.
Der Ball stieg rekordverdächtig hoch auf und flog rekordverdächtig weit und
ich musste die Augen mit der Hand gegen das grelle Licht abschirmen, um zu
sehen, wo er runterging.
    Ich sah Kerstin, sie stand ganz still, wie eine Statue, die Hände wie
eine Schale zum Himmel gereckt, als würde sie beten oder so was. Sie brauchte
sich keinen Millimeter zu bewegen. Der Ball fiel direkt auf sie zu.
    Ich wusste, dass ich einen perfekten Schlag zu Stande gebracht hatte,
viel perfekter als irgendjemand erkennen konnte, da der Ball genau die Bahn
flog, die ich berechnet hatte. Zum Schutz gegen die Sonne hielt ich immer noch
die Hand über die Augen und sah, wie Kerstin stehen blieb und der Ball fiel und
fiel, und schließlich fing sie ihn auf. Am liebsten hätte ich geschrien und
gejubelt, obwohl wir zu verschiedenen Mannschaften gehörten.
    „Willst du nicht laufen, Kenny?!“
    Das war Klops. Er war als Nächster mit Schlagen an der Reihe.
    Ich lief los, während der Ball langsam auf dem Weg zurück zum
Schlagmal war. Er flog, landete, rollte im Gras aus und blieb liegen, jemand
anders hob ihn auf und warf ihn ein Stück und so ging es weiter.
    Als ich an Kerstin vorbeilief, lachte sie wieder wie vorhin und ich
riss eine Hand zum Gruß hoch.
    Dann flog ich hin. Es machte einfach peng. Ich spürte ein Kratzen an
der Nase und mein Gesicht wurde warm. Aber es war eine andere Wärme als vorhin.
Es brannte wie Feuer.
    „Kannst du dich nicht auf den Beinen halten?!“
    Ich hörte die Stimme an meinem Ohr, aber sie klang wie durch einen
Tunnel. In meinem Kopf drehte sich alles.
    „Wenn du dich nicht auf den Beinen halten kannst, solltest du lieber
nicht laufen!“
    Jetzt erkannte ich die Stimme. Ich blinzelte und versuchte
aufzustehen. Wieder brannte es wie Feuer in meiner Nase und ich sah Blut auf
die Erde tropfen. Ich sah Füße und Beine im Gras. Plötzlich hatte ich einen
Kloß im Hals. Ich räusperte mich und spuckte, um zu sehen, ob Blut in der
Spucke war.
    Weine sagte noch etwas, aber ich verstand es nicht. Es mussten seine
Beine sein, die genau vor mir standen.
    Ich wollte diesen Beinen gerade einen Schlag versetzen, als ich
spürte, wie mich jemand hochhob.
    „Oje, oje“, sagte die Betreuerin.
    „Er ist über die Wurzel da gestolpert“, hörte ich Weine sagen.
    „Das sieht ja gar nicht gut aus“, sagte die Betreuerin.
    Es war fast zu hören, dass Weine grinste.
    „Wir müssen uns deine Nase näher angucken“, sagte die Betreuerin.
„Komm mit, Tommy.“
    Das Schwindelgefühl ließ nach, aber ich konnte immer noch nicht
richtig sehen. Vielleicht hatte ich eine Gehirnerschütterung. Vielleicht war
die Nase gebrochen. Die Betreuerin hielt mich am Arm fest. Aber ich konnte
allein gehen und versuchte mich zu befreien. Dass jemand Weine verpetzen würde,
erwartete ich nicht, aber jemand musste es doch gesehen haben.
    „Er braucht wahrscheinlich eine Trage“, hörte ich ihn sagen.
    Ich mochte Weines Stimme nicht. Wieder zwinkerte ich, und jetzt konnte
ich ihn sehen. Er lächelte. Das Lächeln gefiel mir nicht. Genau hinter ihm
stand Micke. Micke lächelte auch, als hätte er nicht bemerkt, dass ich jetzt
wieder sehen konnte.
     
    9
     
    Ich hatte das Gefühl, als sei eine ganze Armee über meine Nase
marschiert, aber da drinnen schien nichts gebrochen zu sein. Hätte ich in den
Spiegel geguckt, hätte ich mich wahrscheinlich nicht wiedererkannt, aber ich
hatte nicht die Absicht, in einen Spiegel zu gucken. Ich schaute nie in
Spiegel. Warum sollte ich? Ich sah nun mal aus, wie ich aussah.
    Die Samurai benutzten Spiegel, um alles, was es auf der Welt gab, so
einzufangen, wie es war. Der Spiegel war heilig, weil er nicht log. Was man im
Spiegel sah, war das wahrhaftige Bild dessen, was einen umgab. Man erkannte es
vielleicht nicht, aber so sah die Welt aus. Der Spiegel wurde von Samurai zu
Samurai vererbt, genau wie das Schwert. Aber kein Samurai schaute sich selbst
im Spiegel an. Man hielt ihn hoch und fing damit die

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