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Samuraisommer

Samuraisommer

Titel: Samuraisommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Christian?“
    Sie nickte zu ihrem Sohn, als ob er das erste Mal hier wäre. Aber der
kam doch jeden Sommer. Vielleicht würde er ihr Nachfolger werden.
    „Jetzt weiß ich mir keinen Rat mehr, was wir noch mit dir machen
sollen, Tommy.“
    Christian schwieg. Er wirkte doppelt so groß wie die Alte, wie ein
Riese, der das Zimmer fast auszufüllen schien. Plötzlich fiel mir die Axt ein,
die beim Holzschuppen im Hauklotz steckte. Es musste Christian gewesen sein,
der sie mit entsetzlicher Kraft hineingerammt hatte. Eine wahnsinnige Kraft.
    Jetzt drehte sie sich zu ihm um.
    „Was sollen wir mit ihm machen, Christian?“
    „Was hat er denn angestellt?“
    Christian lächelte, als freute er sich darauf, all das Schreckliche
zu erfahren, was ich getan hatte. Mit seinen dicken, gewellten Haaren, die er
zu einer Elvisfrisur gekämmt hatte, und seinen großen weißen Zähnen sah er fast
wie ein Filmstar aus. Er trug ein weißes Hemd und eine Jeans, die direkt aus
Amerika zu kommen schien. Er sah überhaupt aus, als käme er direkt aus Amerika.
Um seinen Hals hing eine Silberkette und er war auf eine Weise braun gebrannt,
die seine Zähne noch weißer und die Haare wie Gold erscheinen ließ.
    „Er macht Schwierigkeiten“, sagte die Alte. „Er isst nicht. Er lügt.
Er hetzt die anderen Kinder gegen uns auf.“
    „Dieser kleine Scheißer da?“
    Christian machte ein paar Schritte auf mich zu. Ich wich zurück.
    „Sieh einer an! Er hat ja Angst.“
    „Draußen jedenfalls hat er ein großes Maul“, sagte die Ate. „Er
glaubt, er darf alles, wenn es keiner sieht.“
    „Hast du jetzt auch ein großes Maul?“ Christian machte noch einen
Schritt auf mich zu und packte meinen Arm, als wäre ich eine Fliege, der er mit
einem einzigen kleinen Ruck ein Bein ausreißen kann. „Glaubst du, hier darfst
du auch alles, hä?“
    Er ließ mich los, nahm, mein Schwert und riss es aus der Scheide, als
wäre es mein Arm.
    „Was ist das denn, he?“ Er hielt mein Schwert hoch. In seiner Hand
wirkte es wie ein Streichholz. „Was ist das für ein Scheiß?“
    „Das ist sein Schwert.“ Die Alte lachte. „Er hat es immer bei sich. Er
ist Samurai, behauptet er.“
    „Sam... Samurai? Was ist das? Irgendein chinesischer Scheiß, hä?“
Christian sah auf mich herunter. „Bist du ein Chinese, Junge? Hast du dich etwa
verirrt? Hast du in die falsche Richtung gebuddelt?“
    Er lachte wie die Alte. Sie lachten zusammen. Dann schaute er sie an und
hielt wieder das Schwert hoch.
    „Lässt du die mit so was rumlaufen? Er könnte ja jemandem die Augen
ausstechen.“
    „Da könntest du vielleicht Recht haben“, sagte sie.
    „Klar hab ich Recht.“ Er packte das Schwert mit beiden Händen und
brach es mittendurch.
     
    Ich sah, wie sich die Gedanken in Klops' Kopf bewegten. Etwas war
passiert, was nicht hätte passieren dürfen. Nur Klops und ich waren im
Schlafsaal. Wir waren auf unbestimmte Zeit eingesperrt. Klops war bestraft
worden, weil er protestiert hatte, als sie mich aus dem Speisesaal geschleppt
hatten.
    „Nur du weißt es“, sagte ich zu Klops.
    Es war, als hätte er es immer noch nicht richtig begriffen und
versuchte sich vorzustellen, wie man ein Schwert zerbrechen konnte.
    „Dir ist ja wohl klar, dass du es niemandem erzählen darfst?“
    Er nickte.
    „Dann ist es ja gut, Klops.“
    „Was willst du jetzt machen?“, fragte er nach einer Weile.
    „Ein neues“, sagte ich. „Ich mach mir ein neues Schwert.“
    „Aber ... du hast es doch schon so lange gehabt.“
    „Ein Samurai kann sein Schwert auf verschiedene Art verlieren“, sagte
ich. „Ich habe nicht meine Ehre verloren, so wie das zugegangen ist.“
    „Nein, nein.“
    „Man kann sagen, ich habe noch immer ein Schwert, obwohl ich gerade
keins habe. Verstehst du, Klops?“
    „Ich... glaube ja.“
    „Ich habe immer ein langes Schwert bei mir“, sagte ich und betrachtete
das kurze, das ich aus seinem Versteck unter der losen Fußbodendiele
hervorgenommen hatte, mein Wakizashi. „In Gedanken habe ich es immer dabei. Und
morgen werde ich es neu machen, so dass ich es in Händen halte.“
    „Geht das denn?“, fragte Klops.
    „Sie können mich ja nicht den ganzen Sommer einsperren.“
    „Was wird aus dem Schloss?“
    „Wir machen natürlich weiter“, sagte ich.
    Klops sah mich ungläubig an.
    „Mich kann nichts hier drinnen halten“, fuhr ich fort. „Und wenn sie
dich nach Hause schicken?“
    „Das geht nicht. Zu Hause ist niemand. Das weißt du

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