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Samuraisommer

Samuraisommer

Titel: Samuraisommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Sonne ein. Und alles, was
es unter der Sonne gab.
    Wie mich. Und Kerstin. Im Augenblick verdeckte sie die Sonne, und
darüber war ich froh. Die Nase schmerzte noch mehr, wenn die Sonnenstrahlen
darauf brannten.
    Die Betreuerin hatte mich gegen meinen Willen auf ein Bett gelegt und
das Zimmer verlassen. Ich richtete mich auf. Durch das offene Fenster hörte
ich, wie das Brennballspiel weiterging. Jemand traf den Ball. Es klang wie ein
harter und weiter Schlag. Ich hoffte, dass es nicht Weine war.
    Oder Micke. Ich erinnerte mich, wie er ausgesehen hatte, Micke. Es
waren das Lächeln und der Blick eines Verräters gewesen. Man hätte ihm einen
Spiegel hinhalten und fragen können: Wer ist das? Freund oder Feind?
    „Es sieht nicht so schlimm aus“, sagte Kerstin.
    „Was?“
    „Das Wetter“, sagte sie und lachte auf. Ihr Lachen klang wie
Glasperlen, die auf dem Boden aufschlugen.
    „Nichts gebrochen“, sagte ich und tastete meine
Nase ab. In der Nasenspitze hatte ich fast kein Gefühl. „Dann ist also kein
Krankenwagen nötig“, sagte sie. „Den Spaß gönn ich ihm nicht.“
    „Wem?“
    „Dem verdammten Weine“, sagte ich. „Hast du nicht
gesehen, wie er mir ein Bein gestellt hat?“
    „Vielleicht war es keine Absicht.“
    „Absicht?“ Plötzlich begann die Nase wehzutun, als
ob sie auch wütend wurde. „Aber sicher war das Absicht ... so sicher wie die
Sonne auf- und untergeht.“
    Jemand drückte die Türklinke herunter. Die Betreuerin
kam zurück. Allmählich wurde es eng im Zimmer. Ich wollte raus.
    „Schön langsam jetzt, Tommy.“ Sie hob ein paar
blutige Wattebäusche vom Fußboden auf. „Heute kein Brennball mehr.“
    „Ich heiße Kenny“, sagte ich und ließ mich vom Bett gleiten, bis ich
auf dem Boden stand. Nicht mehr lang, dann musste ich mich nicht mehr
heruntergleiten lassen, meine Füße würden bis zum Boden reichen, wenn ich auf
einer Bettkante saß. In Japan liegen die Betten auf dem Boden, es gibt keine
unterschiedlichen Betten für Erwachsene oder Kinder. Und alle sitzen auf Matten
auf dem Fußboden und essen von einem niedrigen Tisch.
    Die Sonne brannte in meiner Nase, als wir auf der Treppe standen. Alle
anderen waren auf der Rückseite des Hauses. Ich hörte wieder die Geräusche vom
Brennball.
    „Haben die sich nicht gewundert, als du abgehauen bist?“, fragte ich.
    „Ich hab gesagt, ich hab Bauchschmerzen.“
    „Hast du das denn?“
    Kerstin antwortete nicht. Überm See begann eine Möwe zu lachen, wie
über einen Scherz.
    „Du brauchst mir keine Gesellschaft zu leisten“, sagte ich.
    „Wann zeigst du mir das Schloss?“, antwortete sie.
    Wieder hörte ich Schreie und Schläge vom Brennballplatz. Es klang wie
Krieg.
    „Wir nehmen diesen Weg“, sagte ich und zeigte aufs Ufer. Ein Stück
konnten wir am See entlanggehen und mussten dann nach links in den Wald
abbiegen. So würden wir das Schloss von der anderen Seite erreichen.
     
    In diesem Teil des Waldes hing ein Geruch, den ich nicht kannte. Es
war wie ein anderer Wald. Die Bäume sahen auch anders aus. Vielleicht kam das daher,
weil der See zwischen den Bäumen blitzte wie Reflexe eines Spiegels. Hier war
es dunkler als im anderen Teil des Waldes.
    „Wonach riecht das hier eigentlich?“
    „Ich riech nichts.“ Kerstin sah sich um. „Es riecht wohl nach Wald.“
    „Es ist irgendwie anders.“
    Sie sah sich wieder um. Das meiste lag im Halbdunkel trotz oder wegen
der Reflexe vom See.
    „Dann ist es wohl der Schatten“, sagte sie.
    „Der Schatten?“ Ich sah ihn auf dem Pfad, über den wir gingen. Er
schien sich mit uns zu bewegen. „Ein Schatten kann doch nicht riechen?“
    „Wenn es dunkler wird, riecht es anders“, sagte sie. „Ist dir noch nie
aufgefallen, dass es abends anders riecht? Wenn die Sonne untergegangen ist?“
    „Doch.“
    „Dann kommen andere Gerüche hervor.“
    „Ja. Und andere Farben.“
    Die Farben auf dem Pfad waren andere Farben. Schattenfarben.
    „Und schließlich gibt es gar keine Farben mehr“, sagte sie.
    „Schwarz“, sagte ich, „Schwarz gibt es noch.“
    „Das ist keine Farbe“, sagte sie. „Was ist es
denn?“
    „Es ist... nichts. Ich mag kein Schwarz. Das trägt
man auf Beerdigungen. Und ich mag keine Beerdigungen.“
    „Wer mag die schon?“, sagte ich. „Ich weiß nicht,
wozu es die überhaupt gibt.“
    „Tja ... irgendwo müssen die Toten ja hin.“
    „Hin?“
    „Man kann sie ja nicht zu Hause am Küchentisch sitzen lassen, oder?“
Ich sah plötzlich

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