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Samuraisommer

Samuraisommer

Titel: Samuraisommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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aber dass sie sie noch nicht gefunden hatten, und deswegen
durfte ich noch im Camp bleiben. Ich hatte keinen Hausarrest mehr, sondern
durfte alles machen wie vorher. Ich glaubte, es würde ein Polizist kommen und
mich wegen meiner Mutter verhören, aber es kam keiner.
    Jetzt saß ich mit Mutters Brief in der Hand da. Ich saß hinter der
Mauer des inneren Burghofes. Das Blatt war zerknautscht und brüchig geworden,
bald würde es zerfallen. Es sah alt aus, wie Pergament oder so was. Die
Buchstaben wirkten fremd, wie aus einer anderen Sprache.
    Alles ist geregelt. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.
    Was meinte sie damit? Was war geregelt? Warum brauchte ich mir keine
Sorgen zu machen? Weil es geregelt war? Oder weil es in Ordnung kommen würde?
    Ich machte mir Sorgen, aber immerhin hatte sie mir geschrieben. Sie
würde mir wieder schreiben, wenn sie dort angekommen war, wohin sie jetzt
unterwegs war. Bald würde sie dort ankommen. Und warum sollte sie denen in
diesem Erholungsheim erzählen, wohin sie wollte? Die konnten doch nicht über
sie bestimmen, niemand bestimmte über Mutter und niemand bestimmte über mich,
nicht mal Mutter.
    Ich hörte das Fechttraining der Truppe außerhalb des Burggrabens.
Vielleicht war das Klops' neues Schwert. Es war fast größer als er selber, so
groß wie Musashis Ruder, als er Kojiro besiegte.
    Mein eigener Bokken lag neben mir. Nicht einmal Christian würde es
einfach so zerbrechen können.
    Ich hatte ihn nicht mehr gesehen, seit er mitten in der Nacht auf dem
Karussell gesessen hatte. Als er mich im Zimmer seiner Mutter angeschaut hatte,
war in seinen Augen etwas Merkwürdiges gewesen, etwas, das mir im letzten
Sommer nicht aufgefallen war. Etwas Unheimliches, das vielleicht deutlicher
wurde, je älter er wurde. Ich konnte nicht erkennen, wie er ausgesehen hatte,
als er zu den Fenstern der Mädchen hinaufschaute, und darüber war ich froh. Er
war weggefahren, und als ich hier im Schloss saß, hoffte ich, er wäre auch
verschwunden.
     
    11
     
    Ich schloss die Augen und die Rufe vom Fechttraining klangen wie im
Traum. Das hier war mein Traum. Eines Tages, wenn auch dieser Sommer zu Ende
war, würden wir erwachen. Würden die Ruinen des Schlosses dann bleiben, wie die
Reste eines Traumes? Etwas, das man erlebt hatte, an das man sich aber nicht
richtig erinnern konnte.
    Ich öffnete die Augen und sah die Steine der Mauer. Sie könnten stehen
bleiben für andere, die nach uns kamen, aber mir reichte das nicht. Dies war
mein Traum und mein Schloss.
     
    „Wollen wir abhauen in die Stadt? Traust du dich?“
    Ich hatte die Augen wieder geschlossen und die Stimme klang wie aus
einem Lautsprecher in mein Ohr.
    Janne stand über mich gebeugt. Er trug immer noch Schulter-, Knie-,
Hand- und Nackenschutz nach dem Training und sah aus wie ein Eishockeyspieler.
Es fehlten nur die Schlittschuhe. Sogar sein Helm erinnerte an einen Kopfschutz,
wie man ihn beim Hockey trug.
    Er rieb sich eine Schulter.
    „Bist du verletzt?“
    „Micke hat ziemlich hart zugeschlagen.“
    „Das macht er immer.“
    „Diesmal war es schlimmer“, sagte Janne. „Als ob er
wegen irgendwas wütend wäre.“
    „Er ist immer wütend“, sagte ich. „Du auch.“
    „Ich?“
    „Ja.“
    „Ach, hör auf.“
    „Ich hab gefragt, ob wir in die Stadt abhauen wollen“,
sagte Janne. „Meinst du jetzt?“
    „Bis zum Essen sind wir zurück.“
    „Welchem Essen?“, sagte ich und Janne lachte.
„Okay“, fuhr ich fort, „wir haben ja nichts zu verlieren.“
     
    Das Feld oberhalb der Stadt war wie ein Meer, so weit man sehen
konnte. Der Weizen wogte wie Wellen im Wind. Wir versuchten am Rand
entlangzugehen, damit uns der Bauer nicht sah und mit seinem Traktor angefahren
kam und uns beschuldigte, die Ernte zu zerstören. Das war früher schon mal
passiert.
    „Hier könnte man eine richtig große Schlacht
schlagen“, sagte Janne. „Zwischen den beiden größten Samuraiheeren des Landes.“
    „Ja, das ist ein guter Platz“, sagte ich.
    „Unsere Truppe gegen Weines“, sagte Janne.
    „Weines sind keine Samurai.“
    „Aber wir könnten trotzdem in die Schlacht gegen sie ziehen.“
    „Das würde dem Bauern nicht gefallen.“ Janne sah sich um und dann mich
an.
    „Weißt du, was ich glaube?“, sagte er. Ich schüttelte den Kopf.
    „Bevor dieser Sommer zu Ende ist, werden wir eine
große Schlacht mit ihnen haben. Eine richtige Schlacht, im Ernst.“
    „Nicht nur gegen die“, sagte ich. „Was meinst

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