Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
Dreibeinern, Kelle und Hammer in der Hand, und schwatzten. Doch als Miraval mit forschem Schritt auf sie zuhielt, begannen sie Hals über Kopf zu arbeiten. Der Troubadour konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Schade, dachte er bei sich, dass Sancha nicht sehen konnte, wie man ihn hier offenbar für einen bedeutenden Herrn hielt!
Die Messe zelebrierte an diesem Tag ein düsterer Mönch, ein wahrer „Gesellenbruder der Hölle“, wie Fabri tags zuvor gemeint hatte: Guy von Vaux-de-Cerney. Und tatsächlich, was für eine bodenlose Frechheit: Der Zisterzienser, die Arme überkreuzt und die Hände in die weiten Ärmel seiner schwarzen Kukulle gesteckt, machte er aus seiner tiefen Herzensneigung zu Montfort kein Hehl, ja, er betete noch bei der Segnung mit halbgeschlossenen Augen derart ausdauernd für den Fluchwürdigen - und nicht etwa für das Seelenheil der Bürger dieser Stadt -, dass sich Miraval zähneknirschend fragte, ob es sich noch nicht bis zu ihm herumgesprochen hatte, dass Gott derzeit eher hinter den Franzosen stand.
Von Pfeifern und Trommlern begleitet, zog der Marktbüttel nach der Messe die Rote Fahne auf, worauf alles Volk herbeiströmte, auch die üblichen Gaffer, Huren und Hansdampfe, sowie fromme Pilger und solche, für die die Schänke das tägliche Bethaus war. Ein buntes Verkaufszelt reihte sich ans andere, und die quer über die Gassen und Plätze gespannten Fahnen und Wimpel leuchteten in allen Farben.
Nach dem Sermon des Mönches drängte es Miraval, einmal kräftig in den Rinnstein der Canissou-Gasse zu spucken, dann folgte er den anderen Marktgängern und bog zuerst auf den Platz ein, auf dem der Grand Puits, der Große Brunnen, stand. Die Goldschlager, Nagler und Fassbinder beachtete er nicht; er warf auch auf die Stände der Lederer und Färber nur einen kurzen Blick. Es zog ihn zu den Weinhändlern hin, denn er wollte sich bei Fabri für die Gastfreundschaft bedanken.
Das Angebot war groß: Neben einheimischen Weinen aus Narbonne, Minerve und Gaillac, und solchen, die aus Hispania kamen, gab es auch welche aus ferneren Ländern, wie jenen Reinfal aus der Gegend von Rivoglio in Istrien - ein exzellentes Tröpfchen, das Miraval im Schloss zu Toulouse schon einmal gekostet hatte ... Wie es Raymond wohl erging, nachdem die Franzosen erneut gegen seine Stadt anrannten? Und Sancha? Ob sie nach Zaragoza aufgebrochen war? Miraval seufzte schwer. „ Ahi, amors“, summte er, „ wie schwer fällt mir die Trennung von der besten Dame, die je geliebt und der je gedient wurde …“
Einer der Weinhändler, ein jovialer Mann in einem Bliaud aus morgenländischem Stoff, glutvollen Augen und schwarzem, perlendurchflochtenen Bart, bot ihm an, zu kosten. Der Troubadour schwenkte den Becher, roch, schlürfte, verglich die Preise, feilschte - und stellte ganz nebenbei eine harmlose Frage nach Montforts Lieblingswein. „Seid Ihr am Ende der glückliche Händler, der den Grafen beliefert?“ Die Mann verzog vielsagend das Gesicht und schüttelte den Kopf, worauf Miraval, schon im Gehen begriffen, umschwenkte und sich für ein Fässchen alten Malvasier aus Griechenland entschied, das er sogleich im Hause Fabri anliefern ließ.
Als er die Geldkatze wieder versorgte, musste er lachen. Von katharischer Zurückhaltung war bei Prades Fabri, seinem Gastgeber, schon am zweiten Tag keine Rede mehr gewesen. Des Abends tischte man Krebse oder junge Hühner auf, oft gefolgt von gesottenem Lamm oder Hammelfleisch mit gedämpften Cibeben, gewürzt mit Muskat und Muskatblumen. Obendrein setzte ihm Fabris langbeinige Magd Azéma ständig irgendwelche Leckerbissen vor: süßen Quark, gedünstete Kirschen oder teures Konfekt. Ginge es noch eine Weile weiter so, hatte sich Miraval erst gestern lachend bei ihr beschwert, würde ihn das neue Wams bald zwicken.
Miraval ließ sich Zeit für sein Vorhaben. Er begutachtete einige prachtvolle Sattel- und Rossdecken, tätigte bei den Tuchhändlern Scheingeschäfte, die über Fabri abzuwickeln waren, und bog dann um die Ecke, wo die Gewürzhändler ihre Stände hatten, die aber auch Schwefel, Alaun, Kampfer und Theriak anboten. Theriak ... Abermals kam ihm Toulouse in den Sinn. „Sophisten und fromme Scharlatane“ hatte Raymond seine Hofärzte einmal genannt, nachdem sie ihm in ihrer Hilflosigkeit vorschlugen, er solle sich täglich eine blaue Wachsscheibe mit dem Agnus Dei auf den Leib binden lassen. Aber war Sanchas Narr nicht auch nur ein Pfau, der es prächtig
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