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Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)

Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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inzwischen unter dem Schutz der Mönche von Alet stand. Doch an der Pforte verwehrte man ihm den Zutritt. Bevor die Dunkelheit hereinbrach und das Fieber anstieg, kletterte Hagelstein, das Pferd am kurzen Zügel, in die Garrigue hinauf, um wenigstens von oben einen Blick auf das Aquädukt zu werfen, das angeblich den Strom des lebendigen Wassers speiste. Danach ritt er wieder ein Stück zurück, um sich in einer Herberge, auf deren Hinweisschild er unterwegs gestoßen war, auszuruhen.
    Der Kräutersud, den er sich im „Wilden Raben“ zubereiten ließ, brachte ihm für die Nacht Linderung. Doch schon am Morgen ging es ihm wieder schlecht. Der Husten hörte sich an wie das Fauchen eines Bären, seine Eingeweide zogen sich schmerzhaft zusammen und ein Kälteschauer folgte auf den nächsten. Aber nachdem Sancha ebenfalls „fieberte“ - nämlich auf seine Nachrichten -, ritt er abermals los und erreichte am späten Nachmittag und mit letzter Kraft einen auf dem Weg zum Gipfel gelegenen Weiler namens Linas, wo er vor Schwäche fast vom Pferd fiel. In seinem Kopf drehte sich alles. Er sah plötzlich Sancha vor sich, wie sie ihn in heller Empörung einen Schwächling hieß, dann – Falk erschrak, denn das war kein gutes Zeichen! - dann schob sich das Antlitz seiner Mutter über Sanchas Gesicht: Im weißem Habit und mit strengem Blick forderte sie ihn auf, in die Heimat zurückzukehren. Sofort versuchte Falk die Schimären wegzuzwinkern - doch damit verschlimmerte er alles noch: Tausende schwarzer Krähen stürzten plötzlich vom Himmel, und in dem Zickzack-Geflirre, das er bei diesem Trugbild vor Augen hatte, tauchten zwei Schemen auf, von denen er allerdings im Nachhinein glaubte, dass sie als einzige Präsenz echt gewesen sein könnten. Nach seiner Erinnerung hatten sie rote Tatzenkreuze auf ihren Mänteln getragen. Aber sicher war er sich nicht.
    Im Ort hatte er sich vom Pferd gleiten lassen und zur erstbesten Tür geschleppt, um nach einer Herberge zu fragen. Eine Frau hatte die Tür geöffnet, deren Gewand zum Erbarmen um ihren Leib schlotterte. Dass der Strohsack trocken war, auf den die Frau und ein Junge aus der Nachbarschaft ihn betteten und die Decke, die sie ihm überwarfen, groß genug für seine langen Beine, bekam er noch halbwegs mit. Irgendwann versuchte die Frau ihm Brotsuppe einzuflößen, doch Falk erbrach sie im Schwall.
    „ Aie, aie, aie “, hatte die Frau geklagt und ihm die verschmutzten Kleider ausgezogen. Das Hemd, das sie ihm gab, war geflickt und zu kurz. Aber das machte nichts. Falk deutete auf seinen Kräuterbeutel und versuchte ihr zu erklären, welchen Aufguss sie ihm zubereiten sollte; nur brachte er keinen vernünftigen Gedanken mehr zusammen und kaum ein Wort heraus.
    In der Nacht flößte sie ihm etwas Bitteres ein, das er wider Erwarten bei sich behielt. Als sie ihm am nächsten Morgen sein Wams und ein weiteres, frisches Hemd brachte, ging es ihm etwas besser. Blinzelnd betrachtete er die Frau, erinnerte sich sogar an den Namen, mit dem der Nachbarjunge sie angesprochen hatte: Grazide. Sie war nicht jung, aber auch nicht alt. Früher, mit all ihren Zähnen, musste sie ansehnlich gewesen sein. Ein Rest Eitelkeit in Form eines blitzsauberen blauen Tuchs, das sie über die verworrenen Haare gebunden hatte, haftete ihr noch immer an. Das Tuch war mit kleinen bunten Blüten bestickt. Vermutlich ihr einziger Reichtum. Ja, Falk hatte ganz den Eindruck, dass der Name des Gastes, der vor ihm hier genächtigt hatte, Hunger war.
    Grazide hängte das gesäuberte Wams an einen eisernen Haken und streifte ihm das frische Hemd über. Dann flößte sie ihm erneut von jenem bitteren Sud ein, der ihm in der Nacht so gut getan hatte.
    „Was ist das?“, stieß er hervor.
    „Mohn und Eberraute, das vertreibt den Husten und die Würmer“, sagte sie fröhlich und verließ die Kammer, um ihm einen warmen Ziegel für seine Füße zu holen, wie sie sagte.
    „Würmer?“ Hagelstein bezweifelte ihren Befund, aber es war ihm gleich. Er baute darauf, dass sie wusste, was sie tat, schloss zufrieden die Augen und versank sogleich in den gnädigen Schlaf, den der Mohn nun einmal bescherte. Irgendwann spürte er, wie ihm die Frau die Bruche auszog und ihm den Hintern wusch, ein andermal, wie sie seine Brust mit warmem Kräuteröl einrieb. Und als sie sich zu ihm legte, um ihn zu wärmen, denn die Kälte saß offenbar so hartnäckig in seinen Gliedern wie die Würmer im Gedärm, verwehrte er ihr die Nähe

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