Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
Und nun geht mir aus den Augen.“
Man hätte eine Nadel fallen hören können, so still war es im Saal geworden. Miraval – selbst erschrocken, denn dass Raymond den Spieß umdrehen könnte, damit hatte er nicht gerechnet - bemerkte, wie Fulcos Kinn im Wettbewerb mit den grünen Quasten an seinem Hut zitterte. Einen solch harten Konter hatte auch er offenbar nicht erwartet.
Jetzt waren die Konsuln gefragt. Belcaire, ganz rot im Gesicht, beriet sich flüsternd mit den Seinen. Endlich trat er vor und bestätigte mit einem lauten „ sic est“ , Raymonds Befehl - worauf alle, außer Peter von Sancto Romano, ihre Stäbe hoben.
Mit einer unwirschen Handbewegung raffte der Bischof seine Pluviale hoch und machte Anstalten den Saal zu verlassen. Doch an der Tür - die Diener hatten sie bereits für ihn geöffnet - drehte er sich noch einmal um und maß Raymond mit einem finsteren, hasserfüllten Blick.
„Ihr, Graf Raymond von Toulouse“, sagte er, „habt mich nicht zum Bischof Eurer Stadt gemacht, und ich bin auch nicht durch Euch noch für Euch in mein Amt eingesetzt worden. Die kirchliche Demut hat mich erwählt. Ich habe ein reines Herz und bin bereit, Euer Schwert zu empfangen, um durch den Kelch des Martyriums zum ewigen Ruhm zu gelangen!“ Den Konsuln rief er zu: „Der Tyrann mag ruhig kommen, umringt von seinen Rittern und gerüstet. Er wird mich allein und unbewaffnet finden. Ich erwarte den Siegespreis und fürchte mich nicht, was mir je ein Mensch antun könnte!“
Nach diesen Worten forderte er alle Geistlichkeit der Stadt auf, ihm noch heute ins Exil zu folgen.
Es liefen ihm viele nach.
Diejenigen, die zurückblieben, standen indes herum und zuckten ratlos die Schultern.
Graf Raymond nahm ihnen die Entscheidung ab, indem er den allgemeinen Befehl erließ, dass vorerst kein gläubiger und für gewöhnlich in der Stadt ansässiger Katholik Bischof Fulco ins Exil folgen und Toulouse verlassen dürfe. Obendrein untersagte er den Torwachen jegliche Ausfuhr von Kriegsgerät und Lebensmitteln. In beiden Fällen, betonte er nachdrücklich, würde eine Zuwiderhandlung mit dem Tode bestraft werden.
„Und nun setzt ein Rundschreiben an die Bevölkerung auf“, wies Raymond Meister Balthus an, als sich die Versammlung aufgelöst hatte. „Jedermann in Stadt und Land soll die demütigenden Bedingungen kennen, mit denen Rom mich heute hat knechten wollen.“
Tränen standen in seinen Augen, als er folgende Zeilen diktierte:
„ ... Wisst alle, was man von mir verlangt hat:
Ich soll den Kreuzfahrern in allem gehorsam sein, sämtliche Befestigungen, Burgen und Mauern einreissen; kein Ritter darf mehr in der Stadt wohnen. Sie sollen vielmehr als kleine Bauern aufs Land zurückkehren. Kein Zoll und keine Steuer stehen zukünftig dem Adel zu, einzig die Kirche darf noch Abgaben von euch fordern. Der Graf von Montfort und seine Barone fordern zudem das Recht, sich hier im Land niederzulassen ... Wenn ich mich ihnen nicht unterwerfe, will man mich hinauswerfen wie einen Sklaven!“
Das ganze Land brannte vor Empörung. Zahlreiche Antwortschreiben trafen ein, die Miraval auf Raymonds Bitte an einem Abend der Familie vorlas:
Hält man uns für feige Sklaven? , hatte ein Ritter geschrieben und gedroht, er werde weder die französischen Frechheiten noch die Doppelzüngigkeit des Papstes länger hinnehmen. Die Bürger von Moissac und des Agenais schworen, eher durch die Garonne bis nach Bordeaux zu schwimmen, als einen französischen Lehnsherren namens Montfort anzuerkennen. Nahezu alle Barone hatten Raymond ihre Treue bezeugt: Wenn Ihr uns führen wollt, Sénher, wir gehen mit Euch!“, hatten sie geschrieben .
Zum Schluss verlas Miraval das wohl wichtigste Antwortschreiben: Es kam aus Foix.
Ramon von Foix, nach dem Tod des Trencavel der bedeutendste Toulouser Vasall, hatte sich bislang den Kreuzfahrern erfolgreich widersetzt, obwohl Montfort ihm mehrmals angedroht hatte, den Felsen, auf dem seine Burg stand, zu Fett schmelzen zu wollen und ihn, Ramon, darin zu braten. In Okzitanien geboren zu sein, dieselbe Sprache zu sprechen, fordert, sich dessen würdig zu erweisen!, hatte der Graf geschrieben und obwohl Raymond den Inhalt des Briefes längst kannte, huschte erneut ein zufriedenes Lächeln über sein Gesicht.
„Im Namen Gottes, es sei so!“ rief Sancha leidenschaftlich aus und erhob sich, um auf das Wohl von Toulouse zu trinken. „Ihr seht, Sénher“, versuchte sie Raymond aufzumuntern, „Gold und
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