Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
aufrichtiges Lächeln war, wie Damian meinte, eher ein gequältes. „Aber nun erzähle mir ...“
„Ist es auch richtig, dass Heuschreckenschwärme als Vorboten für das Jüngste Gericht gelten?“, fiel ihm Damian erneut ins Wort. „Kürzlich lief mir eine Eidechse über den Fuß. Sie hatte die vier Farben der Pferde der Apokalyptischen Reiter. Schwarz, rot, falb und ... ?“ Damian rang nach Luft. Die vierte Farbe wollte ihm nicht einfallen! Außerdem fühlte er, dass er rot geworden war, denn die Eidechse war ja bloß grün-braun gesprenkelt gewesen.
„Du hast das weiße Pferd vergessen“, schnarrte Marcellus. „Der Reiter auf dem weißen Pferd wird mit unserem Herrn Jesus Christus gleichgesetzt. Aber jetzt sprich endlich! Wie verhielt es sich bei dir zu Hause? Las deine Mutter je gemeinsam mit dir die Offenbarung des Johannes? Oder geht dein Interesse an diesem Buch auf deinen Großvater Wilhelm oder dessen Vater zurück?“
Damian tat verwundert. „Aber meine Ahnen waren die Herren von Montpellier! Keine Priester oder Mönche!“
„Nun, nicht nur Kleriker studieren die Schrift, obwohl dies strenggenommen dem Geistlichen Stand vorbehalten ist. Vermutlich haben sich deine Ahnen besonders gut mit dem Buch der Sieben Siegel ausgekannt, nicht wahr?“
„Das nur ein Lamm zu lesen imstande ist?“ Damian schwitzte. „So habt Ihr es mir beigebracht, Bruder Marcellus! Und dieses Lamm ist Jesus Christus. Jesus Christus, der Gekreuzigte, aber gewiss nicht mein Großvater oder Urgroßvater.“
Marcellus verdrehte die Augen himmelwärts und wechselte die Verwandtschaft: „Wie geht es eigentlich deiner Großmutter, Doña Agnès?“
„Meiner Großmutter?“ Damian zuckte die Achseln. „Ich kenne sie gar nicht. Sie lebt in einem Kloster, aber ich weiß nicht, in welchem. Wisst Ihr es?“
Marcellus erhob sich und lockerte das Zingulum, das seinen dicken Leib einschnürte. „Im Kloster Gellone verbringt sie ihren Lebensabend. Nun, die Sonne steht bereits im Westen, beenden wir den Unterricht für heute.“
Unter dem Türrahmen drehte er sich indes noch einmal zu Damian um, und meinte süßlich lächelnd: „ Nur ein Tor hat kein Gefallen an der Einsicht, sondern will ständig kundtun, was in seinem Herzen steckt. Merke dir diesen Satz und schreibe ihn bis morgen dreißigmal nieder.“
Damian nickte und atmete erleichtert auf. Er war gerne dieser Tor und das Schreiben machte ihm keine Mühe.
7.
„Arnaud Amaury, der Abt von Citeaux, ist ein schlauer Fuchs“, behauptete Raymond von Toulouse, als er sich, einige Wochen nach seiner glücklichen Heimkehr vom Feldlager, in seinem Studierzimmer mit Miraval traf. „Die Gründung der Bruderschaft der Weißen Büßer hat er zu verantworten, Bischof Fulco ist nur der Ausführende. Aber gleich wie es sich verhält, die Saat ist aufgegangen. Große Teile der Altstadt stehen inzwischen auf Fulcos Seite.
„Das kann ich bestätigen“, erklärte Miraval. „Die Weißen Büßer haben deine Abwesenheit genutzt und frech die Häuser bekennender Katharer zerstört. Die Leute wissen nicht mehr, wie sie sich verhalten sollen.“
„Unsere Feinde wollen die Bürgerschaft spalten! Auf diese Weise gedenken sie, Toulouse ohne Kampf einnehmen zu können.“
„Du meinst, weil es Montfort an Soldaten für einen Großangriff fehlt, beschreiten sie diesen Weg?“
„Diesen und andere. Denk an meine Worte!“ Unruhig lief Raymond im Raum auf und ab.
Miraval beobachtete ihn mit Sorge. Der Bliaud aus indischblauem Samt, den er trug, schlotterte geradezu um seinen Leib, so mager war er geworden. Endlich blieb der Graf vor dem Vogelbauer stehen, um seine Alexandersittiche zu füttern, grüngefiederte Vögel mit rotem Halsband und dicken rot-schwarzen Schnäbeln.
“Unter uns, Audiartz “, sagte Raymond leise, während die Vögel ihm ein Hirsekorn nach dem anderen vom Finger pickten, „an der Spitze der Weißen Büßer steht Castronovo.“
„Dein Ritter Aimerich von Castronovo?“ Miraval war fassungslos.
„Jawohl. Höchst geachtet in der Stadt und beliebt unter den Konsuln. Es steht zu befürchten, dass es zu einem schweren Konflikt innerhalb unserer Mauern kommt.“
„ Per Dieu! “ Miraval trat näher und legte für einen Augenblick die Hand auf Raymonds Arm. „Was willst du tun?“
„Nun, bislang hat sich nur ein einziger Konsul dieser verfluchten Bruderschaft angeschlossen - Peter von Sancto Romano. Die anderen stehen in Treue zu mir, behauptet zumindest Emmanuel
Weitere Kostenlose Bücher