Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
Roç! - offenbar wild entschlossen ist, sich seine Geburtsstadt Beaucaire zurückzuerobern, daran trägt nicht das Volk, sondern der Heilige Vater die Schuld. Innozenz hat ihm diesen Floh ins Ohr gesetzt.“
„Wird Beaucaire denn bereits belagert?“
Montfort legte sein Wams ab, es war ihm heiß geworden. „Belagert? Sie haben dem Tolosaner freiwillig die Tore geöffnet, ihm freudig die Schlüssel der Stadt ausgehändigt. Lambert schreibt, die Tolosaner werden vom Fluss, von der Rhône her, mit Lebensmitteln und frischen Truppen versorgt, während seine Leute ...", er senkte den Blick, "nun, Elize, sie hungern. Es heißt ...“ Montfort hielt inne. „Ich sollte es dir besser nicht erzählen, die Umstände sind schwierig ..."
„Simon, rede! Ich befehle es dir.“
„Nun, es heißt, sie würden ihre Pferde verschlingen und einige wären sogar bereit, in Bälde den ... den schwächsten Mann unter ihnen … nun, zu töten und zu essen.“
„Mon Dieu! “ Elize stieß einen Schrei aus. Sofort füllten sich ihre Augen mit Tränen. „So schlimm steht es? Hat der gute Lambert denn keine eisernen Rationen angelegt? Geräuchertes? Gepökeltes? Getrocknetes? Nimm nur alles mit, was unsere Vorratskammern hergeben. Ich selbst werde für Nachschub sorgen. Der Herr stehe euch bei!“
Geschützt durch einen Wall und einen tiefen Graben hielt Roç von Toulouse die Burg, in der sich Lambert von Thury und seine Männer verschanzt hatten, neun lange Wochen fest umklammert. Fast täglich traf Verstärkung ein: Bunt zusammengewürfelte Truppen aus Avignon, aus Arles, Marceille. Tarascon, Vallabrègues und weiteren befestigten und unbefestigten Orten.
Neun lange Wochen belagerte Simon von Montfort seinerseits Roç von Toulouse, und er wurde immer unruhiger dabei, denn er musste zusehen, wie sein Feind täglich mit Schweinen, Schafen, Käse, Mehl, Öl und Wein beliefert wurde - während seine Truppen nur sporadisch aus Saint-Gilles und Nimes Nachschub erhielten.
Am Schlimmsten aber hatte es tatsächlich Lambert von Thury erwischt, und es gab keine Möglichkeit, ihm zu helfen: Er saß noch immer auf seiner Burg und seine Männer waren kurz vor dem Verhungern.
Als die Tolosaner begannen, mit einem großen Rammbock gegen die Mauern der Burg vorzugehen und sie zu unterminieren, wusste Montfort nicht mehr, was er noch tun sollte. Ein Katapult, ein Sturmdach und einen beweglichen Turm hatte er bereits bauen lassen, aber es hatte nichts gebracht. Streng genommen wäre ein Abbruch das Richtige gewesen, aber das bedeutete, Lambert im Stich zu lassen. Erstmals beschlich Montfort Todesfurcht - ein Gefühl, das er zuvor kaum gekannt hatte. So entschloss er sich zu einem letzten Angriff auf die Vorstadt, die ihm indes nichts als ein grausames Gemetzel einbrachte. Und als die Tolosaner am Abend unverfroren den Toten Hände und Füße abschneiden und diese mit einer Mangonellus mitten in den Burgbereich und in das Franzosenlager schleudern ließen, um ihnen den letzten moralischen Halt zu nehmen, verfluchte Montfort die Ketzer und haderte mit Gott. Wie satt hatte er doch das Mordgeschäft, den Lärm und das Getöse, das Fluchen, Heulen und Klagen, den Schweiß und besonders das Blut, das an manchen Tagen wie der Wein aus dem Spundfass floss. All die ausgelöschten, aschgrauen Gesichter, die nach einer Schlacht herumlagen, die gebrochenen Augen. Montfort konnte keine Toten mehr sehen. Am liebsten wäre er Hals über Kopf davongelaufen, im härenen Wams eines Knechts, in einem Beinkleid von ungebleichtem Linnen, von niemandem erkannt, immer weiter und weiter, sein Ross laufen lassend, wohin es wollte, einzig dem Wechselgesang der Grillen lauschend ...
Aber auch dort, wo er zwangsläufig ankäme, wartete wohl der Tod. Der Tod ...
Am nächsten Morgen bot Montfort den sofortigen Abzug seiner Truppen an, allerdings unter der Voraussetzung, dass Lambert von Thury und seine Garnison verschont würden.
Zu seiner Überraschung stimmte Roç von Toulouse zu, worauf Montfort – Scham und Erleichterung hielten sich die Waage - den Befehl zum Rückzug erteilte.
Als er am letzten Abend, in Sorgen vertieft, mit seinen Schildknappen quer durchs Lager ging, wo man bereits die Verwundeten, die Piken und das Rüstzeug auflud, aber auch schon wieder miteinander stritt, lobte er die Tapferkeit seiner Männer. Ihm selbst jedoch gingen erneut düstere Gedanken durch den Kopf.
An einem schon früh vor Hitze flimmernden Augusttag übergaben Montfort und Thury
Weitere Kostenlose Bücher