Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
zwei“, hatte er gemeint und Leonora den Eid abverlangt, über diese „überaus peinliche Angelegenheit“, wie er sagte, bis an ihr Lebensende zu schweigen. „Die Kleine ist gestraft genug“, hatte er gesagt, worauf sie immer dann, wenn sie in den Spiegel der Mutter sah, das Gesicht dieses abscheulichen Mannes erblickte: Sein langgestrecktes Antlitz, die gebogene Nase, die dicken, schwarzen Brauen. Bei Gott, sie war ihrem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten!
Wie hatte sie ihn damals gehasst! Sich versteckt, wenn es bei Hofe hieß, er habe sich angekündigt. Seine Geschenke hatte sie entgegengenommen, aber am nächsten Tag unter den Bediensteten verteilt.
Ruhiger war sie erst mit Falks Ankunft geworden. Der Narr - obwohl er von ihrer wahren Herkunft vermutlich nichts ahnte - hatte sie mit ihrem Schicksal versöhnt, ihre Einsamkeit gebrochen, den tiefsitzenden Schmerz einer Krankheit gelindert, die unheilbar war.
Nur Miraval wusste Bescheid, der Mann ihres Herzens. Damals, im alten Turm, als das schwere Gewitter über Toulouse hereingebrochen war und man sie überall in den Gärten gesucht hatte, war ihr das Geheimnis mit einem Mal über die Lippen gekommen.
"Sanchie", hatte er gesagt und sie in den Arm genommen, "du hast die Neigung, dich selbst zu peinigen. Denk nicht so viel über Dinge nach, die du nicht zu verantworten hast. Lerne zu leben, zu lachen und zu verzeihen."
Ach, Miraval. Ziehe mein neues Liedlein, bevor es windet oder friert ... Sancha weinte. Sancha fror. Eine Nacht und einen ganzen Tag lang ließ sie, außer Gala, niemanden herein.
„Alle sorgen sich schon um Euch!“, sagte das Mädchen betrübt.
Am übernächsten Tag ging es Sancha besser. Sie hängte sich eine der Felldecken über die Schulter, schlüpfte mit bloßen Füßen in ihre Stiefel, ging zum Fenster hinüber und stieß eigenhändig den Laden auf. Grelles Sonnenlicht blendete sie. Als sich ihre Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten, bemerkte sie, dass es taute. Überall troff es nur so von den Dächern und den Bäumen. Offenbar schmolz der Schnee so schnell wie dieser Tage ihre Hoffnungen zerronnen waren. Zurück blieb ein hässlicher Schmutz auf allen Fluren.
Am späten Nachmittag, nachdem ihr Gala eine Grütze und warmen Würzwein heraufgebracht hatte, bat Damian um Einlass.
Der Junge war bleich und trug einen schweren Sack bei sich.
„Was willst du?“, herrschte sie ihn an, und ärgerte sich sofort über ihren Tonfall.
"Keiner glaubt mehr, dass der Graf von Montfort die Gefangenen freilässt", sagte er. "Deshalb bitten wir Euch, in der nächsten Woche nach Toulouse reiten zu dürfen.“
„Ihr wollt an den Hof zurück? Hat dein ungestümer Freund seinen Plan, Faidit zu werden, über Nacht fallen gelassen?“, spottete sie. "Und was ist mit dieser Burg, die jetzt dir gehört?"
Damians Lächeln missglückte. „Olivier … Nun, er liegt gewissermaßen draußen vor der Tür, auf den Knien, und bittet um Eure Gnade, Herrin. Obwohl seine Wunde genäht ist, sieht er noch immer aus, als hätten ihn die Hornissen überfallen. Er humpelt und trägt den Arm in der Schlinge. Also wird er wohl oder übel seine Pläne zurückstellen müssen. Was die Burg betrifft, so ist der jüngere Sohn des Knechts bereit, für mich als Verwalter zu arbeiten. Ich will ihm und seinem Vater Geld geben, damit sie Schafe kaufen und die Stallungen herrichten. Weideland ist in den Bergen genügend vorhanden. Und übers Jahr möchte ich, mit Erlaubnis Eures Gemahls, zurückkommen und nach dem Rechten sehen.“
„Nun gut. Und was bringst du mir da?"
„Wir haben sechs Anteile gemacht. Dieser ist für Euch, Do ñ a Sancha.“ Damian leerte den Inhalt des Ledersackes auf ihr Bett: Güldener Schmuck in großer Zahl, Edelsteine und Perlen.
Sanchas Brauen zogen sich zu einem dicken Balken zusammen. „Ich brauche dein Gold nicht, Junge! Nimm es mit.“
„Dann gebt es den Armen, Doña Sancha", sagte er. „Und ... grämt Euch nicht länger. Was in der Kapelle geschah, war Gottes Wille.“
Es ziemte sich nicht, dass er so zu ihr sprach, aber Sancha freute sich. „Lass mich dir einen wohlmeinenden Rat geben, Damian“, meinte sie. „Sei nicht allzu gutgläubig im Leben. Jeder Hahn ist tapfer auf seinem eigenen Misthaufen - und hinter Edelmut steckt oft auch Eigennutz. “
„Wie meint Ihr das, Herrin?“
„Bei Gott, Junker, ich werde mein Herz gewiss nicht vor dir ausbreiten, wie du deine Schätze vor mir! Sechs Anteile hast du gesagt? Wem
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