Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
zweiter Bruder war, nicht auch noch verlieren … Als Miraval ihr eines Tages von der Dichterin Sappho erzählt hatte, deren Kind blonder als das Fackellicht gewesen sei, hatte er spöttisch angemerkt, der Narr hätte Sapphos Sohn sein können. „Du magst ihn wohl lieber als mich, Sanchie?“
„Aber nein, Falk ist mir nur wie ein Bruder“, hatte sie Miraval beruhigt, „wie ein Bruder.“ Zwei Tage später war ein Gedicht auf ihrem Pult gelegen, aus Sapphos Feder. Miraval hatte einen halben Tag lang die Taur-Bibliothek auf den Kopf gestellt. Das Gedicht, das den Titel trug „Für den Bruder“ konnte sie auswendig:
„ Kypris! Nereiden! “, flüsterte sie unter Tränen und wie ein Häuflein Elend im Schmutz kauernd, „Lasst wohlbehalten mir den Bruder wieder nach Hause kehren und gewährt, dass, was er begehrt im Herzen, alles geschehe. Seiner Schwester mög` er an Ehre gönnen, was ihr zukommt. Aber die Last der Schmerzen sei vergessen, die mir … Siedend heiß fiel ihr die Hochzeit mit Petronilla ein, die sie, um Falk zu strafen, auf den Herbst verschoben hatte. Sie stopfte sich die Faust in den Mund, um nicht laut zu schreien. Sie hasste sich. Sie war ein Ungeheuer, ein Ungeheuer ...
Irgendwann, Sancha hätte nicht sagen können wie viel Zeit vergangen war, knieten Leonora, Petronilla und Gala vor ihr.
„Ich bin schuld, ich“, stieß sie bei Petronillas Anblick hervor. „Ich habe Falk hierher gebracht und ... eure Hochzeit ...“
„Ich weiß, Herrin“, antwortete ihr Petronilla fast streng. Sie nahm das verschmutzte Tuch ab, um es neu zu knoten. Ihr Haar war feucht und verklebt von Schweiß und Staub. „Aber Falk hätte nicht gewollt, dass Ihr so um ihn weint.“
Sancha nickte. Dankbar nahm sie den Wasserschlauch entgegen, den Gala ihr reichte, trank gierig. Dann benetzte sie ein Ende ihres Tuches mit Wasser und wusch sich die vom Weinen verschwollenen Augen. Erst jetzt fiel ihr das Geschrei auf, das draußen herrschte. Und plötzlich verstand sie auch die Worte: „ Montfort es mort, es mort, es mort! “, brüllten irgendwelche Leute und dazwischen, in einer Art Wechselgesang: „ La joya! La joya! La joya!“
Welche Freude?
"Montfort? Er ist tot? Wirklich tot?"
Leonora nickte und bekreuzigte sich. „Ja, Schwester. Komm mit uns nach Hause!"
Als sie die schützenden Fässer erreichten, begannen die Kirchenglocken zu läuten, eine nach der anderen.
Des Mannes Klugheit ist am End`, wenn er sich tief im Zorn verrennt, hatte Falk von Hagelstein auf ihrer Rückreise vom Bugarach über Montfort gesagt. Nun war der französische Löwe besiegt, doch zu welchem Preis. Sancha schluchzte auf.
15.
"Leute, hört alle her! Meine brave Mangonellus hat Montfort den Kopf zerschmettert", schrie ein ums andere Mal Maury, der stolze Richtmeister, während sich unter das nicht enden wollende Geläut der Glocken erste Tamburin-, Sackpfeifen- und Flötentöne mischten. "Es lebe Toulouse, die glorreiche und mächtige Stadt, der Adel und Ehre gebührt!“
„Tolosa! Tolosa! Tolosa!“ Die Menschenmenge, die sich mit den abgekämpften Raymonds sowie etlichen Baronen, Rittern und Knappen hinter der siegreichen Schleuder eingefunden hatte, jubelte vor Begeisterung.
„Die Leute tanzen schon überall in den Straßen“, berichtete Roç von Toulouse. Er war noch geharnischt und das Wams ganz verdreckt. „Sie sind wie verrückt vor Freude. Und mein Vater und ich sind es nicht minder. Denn ...“ Ein weiterer tosender Sturm von Tolosa- , La joya - und Vivat-Rufen schnitt ihm das Wort ab.
Sancha stand verdeckt neben dem Fass, hinter dem - es kam ihr Ewigkeiten vor! - der Richtmeister Schutz vor den Pfeilen gesucht hatte. Eine bodenlose Leere hatte sich in ihr breitgemacht, die es ihr unmöglich machte, sich zu freuen.
„Ich bleibe noch eine Weile hier, am Ort, wo Falk starb“, hatte sie zu Leonora und Petronilla gesagt, die es zurück in den Palast zog. „So verschmutzt und verheult kennt mich keiner. Außerdem ist Gala an meiner Seite.“
Nun trat Graf Raymond vor das Volk. Freuden- und Erleichterungstränen flossen ihm über die Wangen. „Vor zwei Tagen erst“, rief er in die Menge, während sein dünnes weißes Haar im Wind flatterte, „vor zwei Tagen erst hat der Graf von Soisson, drüben im Lager der Franzosen, Montfort aufgefordert, Toulouse zurückzugeben. Soisson war wie andere Barone längst zu der Überzeugung gekommen, dass ich, dass Toulouse, im Recht sei. Doch man hat sein Ansinnen abgelehnt.
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