Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
Ach, ich bin es leid. Selbst die Suppe von süßem griechischen Wein mit Tragant verschafft mir keine Linderung mehr. Die Schmerzen zermürben mich ... Aber nun zu dir, Audiartz – schenk dir einen Becher ein und dann sag mir offen, weshalb du dich in Montforts Stadt begeben willst. Gibt es wirklich einen Grund dafür? An dieses Tor der Myrrhe vermag ich nicht länger zu glauben. Der versuchte Anschlag auf mein Leben ging selbstredend vom Feind aus, aber hier einen Zusammenhang zu konstruieren, erscheint mir zu weit hergeholt.“
„Dennoch, vielleicht kann ich in Carcassonne mehr in Erfahrung bringen. Du hast zwar überall deine Späher sitzen, aber wer weiß … „Auf deine Gesundheit, Audiartz !“ Miraval hob sein Glas. „Der Knappe hofft natürlich, dass ich seine Mutter mitbringe. Er hat mir zwei Namen genannt, von Männern, die regelmäßig auf dem Markt von Carcassonne ihre Waren verkaufen. Vermutlich gehören sie zu den ´Guten Leuten`, du verstehst? Mit ihnen will ich einen Satz reden. Dann wird man weitersehen. Spätestens im Frühjahr bin ich wieder hier, ich verspreche es dir.“
„Aber keine Tollkühnheit, hörst du!“ Raymond atmete schwer. Dann trat er vor eine seiner Truhen und entnahm ihr erneut einen Beutel. „Hier! Sechzig tolosanische Livre“, sagte er, „nimm das Geld und sieh zu, dass du etwas herausfindest.“
Ziehe, mein Liedlein, ziehe … Dass Miraval ohne Abschiedsgruß aus der Stadt geritten war, kränkte Sancha sehr. Was hatte sie nur getan, dass er ihr so übel mitspielte? In Monzón war noch alles eitel Sonnenschein gewesen. Da hatten sie sich geliebt und nicht gestritten! Lag es wirklich an Hagelstein? An der Eifersucht? Oder an mangelndem Vertrauen?
Das Weihnachtsfest ging vorüber, ohne dass eine Nachricht von ihm eingetroffen wäre. Unruhig strich sie tagelang im Schloss umher, das mit weihnachtlichem Lorbeer, Stechpalmen und Efeuzweigen geschmückt war, und schikanierte ihre Damen. Als Roç ihr mitteilte, dass sein Vater den Narren als Späher ablehnte, weil er ihm als Heiler wertvoller sei – es ging Raymond in der Tat besser - zuckte sie nur teilnahmslos die Schultern.
Auch von ihrer Schwester kam erst nach Maria Lichtmess ein längerer Brief, der offenbar aufgrund des strengen Winters wochenlang unterwegs gewesen war:
Meine liebe Schwester , schrieb ihr Leonora, und sie benutzte wie immer in ihren Briefen die förmliche Anrede, ich hoffe es geht Euch gut und Ihr seid wohlauf. Hier in Zaragoza ist es noch immer so warm, dass wir uns fast jeden Nachmittag eine Zeitlang in den Gärten aufhalten. Von Zibelda soll ich Euch, aber auch die kleine Gala, herzlich grüßen. Sie betet jeden Tag für Toulouse.
Was die Königin betrifft, so habe ich schlechte Nachrichten zu übermitteln: Marie – sie ist wirklich eine zutiefst unglückliche Frau - weigert sich, dem Jungen Damian zu helfen, und ich wage es derzeit nicht, unseren Bruder um Hilfe zu bitten. Zwar ist Pedro gesund nach Zaragoza zurückgekehrt, doch nicht für lange. Der wirkliche Krieg gegen die Almohaden hat noch gar nicht begonnen. Überdies ist er Euch recht gram, liebe Sancha, weil Ihr ohne sein Einverständnis das Land verlassen und den Alemannen mitgenommen habt. Marie leugnet leider die Schmähung, die sie Euch zugefügt hat, sie verweigert jede Anhörung, und der Hofkaplan unterstützt sie fleißig. Pater Sola und Don Jorge haben mir geraten, die Sache auf sich beruhen zu lassen, zumal die Stimmung im Castillo seit Wochen nicht zum Besten ist. Misstrauen hat sich breitgemacht, selbst unter den treuesten Dienern und Mägden. Ich rate Euch also, liebe Sancha, die Erbitterung Eures Herzens, so sie noch vorhanden ist, zu vergessen und angelegentlich ein persönliches Gespräch mit unserem Bruder, dem König, zu führen. Und noch einen weiteren dringlichen Rat will ich Euch geben: Achtet darauf, dass es Hagelsteins wegen nicht auch in Toulouse zum Streit kommt. Es ist nicht alles schicklich, was dem Narren gefällt!
Nun hoffe und bete ich, dass der Winter, der hier noch gar nicht richtig begonnen hat, nicht allzu lange dauern möge, damit ich mich mit meinen Damen gleich nach der Schneeschmelze über die Berge wagen und Euch noch vor dem Osterfest, oder spätestens zu diesem, so Gott will, in die Arme schließen kann.
Seid dem HERRN und der Heiligen Jungfrau befohlen, bleibt gesund und Eurem Gemahl gewogen!!!
Eure, Euch liebende Schwester Leonora, Gräfin von Toulouse.
Wie gehetzt lief Sancha eine
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