Sancha ... : Das Tor der Myrrhe : Historischer Roman (German Edition)
Lügen des Bischofs, der wilde Geschichten in Umlauf brachte, die vor allem die jungen Leute bis zur Weißglut reizten.“
Miraval hob fragend die Brauen.
Fabri seufzte. „Nur ein Beispiel: Bérenger behauptete, dass bei den heimlichen Zusammenkünften der hiesigen Katharer die Lichter gelöscht würden, worauf ein allgemeiner ...“, er räusperte sich, „ein allgemeiner Geschlechtsverkehr stattfände.“
Miraval zog hörbar den Atem ein.
„Das war noch nicht alles“, fuhr Fabri fort. „Eine höllische Eucharistie würden wir aus den Leichnamen der Kinder machen, die aus solch schmutzigem Exzess geboren würden.“
„Das ist ja grauenvoll!“ Ehrlich empört, schlug der Troubadour leise mit der Faust auf den Tisch. „Hat Rom denn auf die Worte des Heiligen Bernhard vergessen, der einst meinte, es könne nichts Christlicheres geben als die Rede der Katharer?“
„Ja, sie haben darauf vergessen, nachdem sie gemerkt haben, dass es etwas zu holen gibt, hier bei uns in Okzitanien. Ach, ich wünschte mir, dass sich unser Glaube nicht länger verstecken müsste, sondern offen und aufrichtig sein Haupt erheben könnte, wie dies früher möglich war.“
Lag es am Wein, dass ihm der alte Mann plötzlich leid tat? Miraval fasste sich ein Herz. Er entschuldigte sich und stellte sich endlich mit seinem richtigen Namen vor. In wenigen Worten berichtete er ihm, weswegen er hier war.
Fabri war überrascht. „Montfort hat die schöne Rocaberti und den Spielmann in seiner Gewalt?“ Er blies die Backen auf. „Darüber ist mir bislang nichts zu Ohren gekommen.“ Sein Gesicht verdüsterte sich. „Ich sage es nur ungern, aber ich befürchte, die beiden sind tot. Wer im Loch sitzt, dessen Tage sind gezählt. Überhaupt muss man die jüngsten Auseinandersetzungen als eine einzige Abfolge wilder Grausamkeit beklagen. Von beiden Seiten! Wann werden die Menschen jemals begreifen, dass das Heil nicht im Krieg liegt?“
Miraval pflichtete Fabri bei. „Süß erscheint der Krieg nur denen, die ihn nicht kennen. Toulouse bleibt auf Dauer nur eine Hoffnung: Aragón. Doch der König ist mit den Almohaden beschäftigt.“
„Und Montfort nutzt die Abwesenheit des Königs, glaubt mir.“ Fabri senkte die Stimme: „Unter uns, Sénher, schickt Euren Reiter zurück und warnt den Grafen von Toulouse. Aus einer zuverlässigen Quelle weiß ich, dass im März oder April starke Truppen erwartet werden.“
Miraval erschrak. Er hätte gern nach dieser „Quelle“ gefragt, getraute es sich aber nicht. So dankte er und erkundigte sich nach dem nächsten großen Markttag.
„Oh!“, sagte Fabri bedauernd. „Der findet inzwischen nur noch viermal im Jahr statt. Ihr müsst Euch bis zum Frühling gedulden.“ Der Kaufmann erhob sich zur Nacht und lud Miraval ein, so lange bei ihm Gast zu sein, wie er es für nötig erachtete.
In Toulouse: Die Tage wurden schon wieder länger, da traf endlich die Nachricht ein, dass Damians Großmutter noch lebte und sich tatsächlich im Kloster Gellone, unweit von Montpellier, aufhielt. In einer Eilbotschaft an ihren Bruder, bat Sancha noch einmal kniefällig um Verzeihung für ihre Eigenmächtigkeit, aber zugleich um ein Reskript - eine Erlaubnis, sich für kurze Zeit in seiner Stadt Montpellier frei bewegen zu dürfen. Es ginge um jene heikle Angelegenheit, schrieb sie ihm, über die sie seinerzeit gesprochen hätten. Mehrere Nächte lang überlegte sie fiebrig hin und her, wie sie Roç auf den geplanten Ritt nach Gellone vorbereiten sollte. Zwar war es für Toulouse nach wie vor wichtig, das Tor vor Bischof Fulco zu finden, aber Sancha befürchtete inzwischen, dass vor allem Raymond ihr Vorhaben für töricht ansehen könnte. Und manchmal dachte sie, dass es das auch war. So schob sie die Angelegenheit hinaus, zumal eine Antwort aus Aragón nicht eintraf und Ro ç längst wieder bei seinen Soldaten weilte. Dass sie von Miraval nichts hörte, beunruhigte sie überdies.
Anfang März stürzte unvermittelt Roç in ihre Kemenate. Das Lederwams durchnässt, hing ihm nicht nur der Dunst seines Rosses an, sondern auch sein eigener Schweiß.
"Du bist nicht im Feld, Ro ç? Was ist geschehen?"
„Sancha, du musst sofort packen lassen!", sagte er, noch immer außer Atem. „Montfort hat seine Truppen in Bewegung gesetzt. Er will uns angreifen!“
Erschrocken lockerte sie die Korallenschnur, die ihr Petronilla gerade um den Hals gelegt hatte, und schickte die Dame hinaus. „Das verstehe ich nicht. Montfort
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