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Sanctus

Sanctus

Titel: Sanctus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Toyne
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durch und duckte sich in die Kapelle.
    Die Kapelle wurde von kleinen Votivkerzen erhellt, die um das T-förmige Kreuz am anderen Ende flackerten. Es gab keine Stühle oder Bänke, sondern nur Matten und dünne Kissen, um die alten, knochigen Knie vor dem Steinboden zu beschützen. Athanasius hatte keine Kerze vor dem Eingang bemerkt, doch nun sah er, dass bereits jemand hier betete. Fast hätte er vor Erleichterung geweint, als er sah, wer das war.
    »Lieber Bruder ...« Vater Thomas stand auf und legte den Arm um die zitternde Gestalt seines Freundes. »Was ist los mit dir?«
    Athanasius atmete tief durch und versuchte, sich wieder zu beherrschen. Es dauerte jedoch ein paar Minuten, bis sein Puls und seine Atmung sich wieder beruhigt hatten. Er schaute zur Tür zurück und dann in das besorgte Gesicht seines Freundes. Athanasius rang mit sich, ob er sich Thomas anvertrauen oder besser schweigen sollte – um seiner Sicherheit willen. Es war, als stünde er am Rand eines Abgrunds, wohl wissend, dass er nur einen Schritt machen musste, und er konnte nicht mehr zurück.
    Athanasius schaute seinem Freund tief in die Augen und begann zu reden. Er erzählte ihm von dem Treffen mit dem Abt im Verbotenen Gewölbe, von der Ketzerbibel und der Prophezeiung, die sie enthielt, und erzählte ihm auch von der schrecklichen Aufgabe, die er gerade hatte erledigen müssen. Er erzählte ihm alles.
    Als er fertig war, saßen die beiden Männer lange schweigend nebeneinander. Athanasius wusste, dass das, was er gerade enthüllt hatte, sie beide in große Gefahr brachte. Schließlich schaute Vater Thomas rasch zur Tür und beugte sich dann näher an Athanasius heran. »Wie lauteten die Verse, die du sonst noch in dem verbotenen Buch gesehen hast, wenn auch nur kurz?« Seine Stimme war nur ein Flüstern.
    Eine Welle der Erleichterung brach über Athanasius herein. »Der erste lautete: ›Das Licht Gottes, in Dunkelheit versiegelt‹«, flüsterte er. »Der zweite: ›kein geheiligter Berg, sondern ein verfluchtes Gefängnis‹.«
    Er lehnte sich zurück, und Thomas’ kluge Augen zuckten hin und her, während sein Geist fieberhaft versuchte, das Gehörte zu verarbeiten.
    »In letzter Zeit hatte ich immer häufiger das Gefühl, dass ... dass mit diesem Ort etwas nicht stimmt ...« Er wählte seine Worte mit Bedacht. »All das Wissen, das Werk der klügsten Köpfe der Menschheit: weggesperrt in der Finsternis der Bibliothek. Ich habe meine Arbeit hier begonnen, um das Wissen zu schützen, es zu bewahren, nicht um es einzusperren.
    Als ich mit den Verbesserungen an der Bibliothek fertig war und sah, wie gut sie funktionierten, da habe ich den Prälaten gebeten, die Entwürfe zu veröffentlichen, damit auch andere große Bibliotheken davon profitieren könnten. Er hat sich geweigert. Er hat gesagt, Bücher und das Wissen, das sie enthielten, seien gefährliche Waffen in den Händen jener, die nicht erleuchtet seien. Er hat gesagt, wenn diese Bücher innerhalb dieser Mauern zu Staub zerfielen, umso besser ...« Vater Thomas schaute Athanasius an, und auf seinem Gesicht stand all der Schmerz und all die Enttäuschung, die er bis jetzt verborgen hatte. »Offenbar nützt das System, das ich gebaut habe, niemandem außer jenen, die die größte von Gottes Gaben einsperren wollen: Wissen.«
    »Das Licht Gottes, in Dunkelheit versiegelt«, zitierte Athanasius leise.
    »Kein geheiligter Berg, sondern ein verfluchtes Gefängnis«, erwiderte Vater Thomas.
    Wieder schwiegen sie.
    »Es ist frustrierend und ironisch zugleich«, sagte Athanasius schließlich, »dass dein geniales Sicherheitssystem uns davon abhält herauszufinden, was das verbotene Buch sonst noch enthält.« Er schaute in das flackernde Licht der Kerze.
    Vater Thomas betrachtete ihn einen Augenblick lang und atmete dann tief durch. »Es gibt da vielleicht einen Weg ...«, sagte er, und seine Augen leuchteten. »Wir müssen bis nach der Vesper warten, wenn die meisten Brüder essen oder sich in die Schlafsäle zurückziehen. Dann ist es in der Bibliothek am ruhigsten.«

K APITEL 74
    Gabriel spürte das Vibrieren des Handys in seiner Tasche und schaute sich die Nummer an.
    »Mutter.«
    »Wo bist du?«, fragte Kathryn.
    »Ich verfolge die Leichendiebe. Sie haben den Mönch in die Zitadelle zurückgebracht. Jetzt sind zwei von ihnen in irgend so einen Laden im Verlorenen Viertel gegangen. Der dritte kümmert sich um den Van.«
    »Was machen sie?«
    »Keine Ahnung, aber ich dachte, ich

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