Sanctus
erkennen, und ein Pfeil erschien über einem davon.
»Sehen Sie!«, rief Zilli, der von der Technologie so überzeugt war, dass er noch nicht einmal auf den Bildschirm schaute. »Das Ding kann sich auch in Satelliten reinhacken und ein Signal bis auf zwei Meter genau lokalisieren. Das Programm kann auch zwei Nummern gleichzeitig verfolgen und Ihnen anzeigen, wie weit sie voneinander entfernt sind. Das heißt, Sie können jemandes Handy im Verhältnis zu Ihrem verfolgen, und die Software wird Sie auf direktem Weg zu dem anderen Apparat führen. Die Gegenseite muss ihr Handy dafür nur einschalten.«
Cornelius klappte das Notebook zu. »Danke für Ihre Hilfe.«
»Gern geschehen.«
Cornelius schaute zu Kutlar, der daraufhin aufstand und dankbar zur Tür humpelte. Cornelius drehte sich um und folgte ihm.
»Sie haben Ihre Brotzeitdose vergessen«, rief Zilli ihm hinterher und nickte zu der roten Plastikbox auf dem Tisch.
»Behalten Sie sie«, erwiderte Cornelius, ohne sich umzudrehen.
K APITEL 75
Liv stand unter der Dusche und drehte sie so heiß auf, wie sie konnte. Der Schmerz war gut. Er fühlte sich reinigend an. Liv beobachtete, wie das Wasser sich grau verfärbte, als es ihren Körper herunterlief, im Abfluss verschwand und den Dreck der Nacht wegspülte.
Liv strich sich mit der Hand über die Seite. Sie fand die kreuzförmige Narbe, folgte deren Umrissen mit den Fingern und verharrte kurz auf der Stelle, wo sie mit ihrem Bruder verbunden gewesen war. Dann wanderte ihre Hand weiter den Körper hinauf und über ihren Arm, wo eine Reihe kleinerer Narben ihre Haut verunstaltete, Dutzender schmaler Wunden, die sie sich einst als Kind selbst beigebracht hatte, weil sie sich wie eine Fremde in ihrer eigenen Familie vorgekommen war.
Der Schmerz, den sie nun unter dem heißen Wasser empfand, brachte die Erinnerungen an die Rasierklinge zurück, die ihr als Teenager geholfen hatte, Ordnung in das Chaos in ihrem Kopf zu bringen. Hätte ihr Vater doch damals nur gesagt, was sie später selbst auf jener schattigen Veranda in Paradise, West Virginia, herausgefunden hatte. Jetzt verstand Liv, warum er sie damals so traurig angeschaut hatte. Mit Enttäuschung hatte das nichts zu tun gehabt; der Grund dafür war der Name der Frau gewesen, deren Namen sie trug. Er hatte sie in ihr gesehen.
Das heiße Wasser prasselte weiter auf Liv ein, und ihre Gedanken wandten sich den eigenen Verlusten zu: erst ihre Mutter, dann ihr Vater und jetzt ihr Bruder. Liv drehte den Wasserstrahl immer stärker auf, bis er sich förmlich in ihr Fleisch bohrte und die Tränen wegspülte, die aus ihren Augen strömten. Schmerz zu empfinden war immer noch besser, als gar nichts zu fühlen.
*
Unterinspektor Suleiman Mantus lief im Gang auf und ab. Er war schlicht zu aufgedreht, als dass er sich hätte setzen können. Aber es war ein gutes Gefühl: wie ein Athlet mitten im Wettkampf oder ein Jäger, der seine Beute im Visier hatte.
Dass er der Presse den Tipp gegeben hatte, dass die Frau bald die Leichenhalle verlassen würde, war nur die Spitze des Eisbergs gewesen. Suleiman wusste, wie diese Dinge funktionierten. Die Polizeiführung würde versuchen, den Vorfall herunterzuspielen, aber egal, wie man es auch betrachtete, die Sache war ins Rollen gekommen, und je mehr sie sich bemühen würden, alles unter den Teppich zu kehren, desto energischer würde die Presse nachbohren. Und niemand zahlte besser als ein Journalist, und diese Story war von internationalem Interesse. Also kassierte Suleiman jetzt auch noch die Presse ab, und das Interesse der beiden ursprünglichen Parteien ließ auch nicht nach.
Suleiman schaute den Flur hinunter. Ein paar Uniformierte standen an der Tür. Suleiman konnte sie miteinander reden hören, verstand aber nicht, was sie sagten. Schließlich holte er sein Handy aus der Tasche und wählte eine Nummer. »Ich habe da etwas, das Sie interessieren könnte«, sagte er.
K APITEL 76
Cornelius stand am Van und schaute zu, wie Kutlar unter Schmerzen auf ihn zuschlurfte. Wenn das so weiterging, würde er Kutlars Nützlichkeit noch einmal überdenken müssen. Johann saß auf dem Fahrersitz und sprach mit dem Informanten am Telefon. Er notierte sich eine Adresse und legte auf.
»Die Frau ist hier«, sagte er.
Cornelius nahm den Notizzettel und schaute wieder die Straße hinunter. Kutlar war der Einzige von ihnen, der die Frau schon gesehen hatte, aber Cornelius hatte sich ein eigenes Bild von ihr gemacht, seit der Abt ihnen
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