Sand & Blut
zum Ufer zurück und fand wieder Halt im Sandboden. Das schwarze Wasser um sie herum, Konny, der auf der anderen Seite hoffentlich nach Till suchte, Doreen, die jetzt tot war und Vincent, der sie alle tot sehen wollte ... sie schluchzte auf. Das war zuviel, einfach zuviel.
Eine gefühlte Stunde später gab sie auf. Konny saß schon lange wieder im Dunkeln, als Meike immer noch suchte, aber im Grunde wusste sie schon nach den ersten zehn Minuten, dass Till tot sein musste.
Meike saß auf der Sandbank, hatte die Arme um die Knie geschlungen und wiegte sich leicht hin und her. Dass Till tot war, nicht zurückkommen würde, diese Tatsache wollte sich in ihr Bewusstsein stehlen. Und Meike versuchte, das Flüstern nicht durchzulassen. Sie wollte keine Geschichte von Stimmen hören, die nur Grausames zu erzählen hatten. Aber es war schwer, sie abzuwimmeln. Sie umkreisten sie auf der dunklen Sandbank und wisperten. Und sie fanden jede noch so kleine Schwachstelle in Meikes Deckung.
Konrad hat Till umgebracht. Er ist ertrunken, weil Konny ihn bewusstlos geschlagen hat.
Das stimmte wahrscheinlich, aber Meike wollte nichts davon wissen. Sie und Konny waren die letzten beiden lebenden Opfer von Vincent und sie musste mit Konny zusammenarbeiten, wenn sie eine Chance haben wollte.
Till ist Konnys Opfer! Konnys!
Meike wiegte sich in der nächtlichen Kälte. Konrad hatte sich nach der gescheiterten Suchaktion an das andere Ende der Sandbank zurückgezogen. Wortlos. Keine Entschuldigung, keine Beteuerungen, er habe das nicht gewollt. Und schon gar keine Erklärungen. Konny, der Konny, den sie alle kannten, Blondie-Konny ... er hatte Till auf dem Gewissen. Schon wieder eine unechte Situation. Aussichtslos unecht. Meike wimmerte. Langsam wollten die Tränen kommen, aber was würde das helfen? Sie verlor so nur noch mehr Flüssigkeit und das konnte sie sich nicht leisten.
Welche Optionen blieben ihr noch? Sie konnte den Morgen abwarten und dann auf andere Boote hoffen, die vorbei kamen. Sie konnte SOS in den Sand schreiben, falls Hubschrauber oder kleine Flugzeuge über sie flogen. Sie konnte noch einmal mit Vincent reden und versuchen, ihn zu überzeugen, dass es wirklich eine Sünde war, wenn er ihr etwas antat. Er hatte den Gedanken erwähnt und sie konnte den Hebel dort ansetzen. In ihrer aktuellen Verfassung klammerte sie die Möglichkeit, mit Konny zusammenzuarbeiten, aus.
Sie wollte ihn am liebsten nicht mehr sehen und ja ... es war ihr in dem Moment egal, ob Konny auch noch das Zeitliche segnete. Sollte er doch zusehen, wie er zurechtkam. Till hatte völlig recht gehabt. Das alles hier war Konnys Schuld. Durch seine kranken Aktionen
Nie wieder ... nennst du mich krank! Nie wieder!
waren sie überhaupt in diese Misere geraten. Meike dachte an ihre Schulzeit zurück, an Vincent, den sie immer nur Maxe genannt hatten und den niemand wirklich ernst nahm. Hatte sie jemals mit ihm gesprochen? Sie konnte sich kaum noch an sein Gesicht von damals erinnern. Nur an sein Lächeln. Wenn sie ihm einen Blick zugeworfen hatte, was höchst selten geschehen war, dann hatte er manchmal verlegen gelächelt und dabei zu Boden geschaut. Diese Geste war das einzig Charakteristische, an das sie sich in Bezug auf ihn entsinnen konnte. Aber Vincent ... er hatte keine Ähnlichkeit mehr mit dem Maximilian und Meike war sich sicher, dass er aktiv an dieser Verwandlung gearbeitet hatte. Schließlich gehörte sie zu seinem Plan. Und wenn man seine Rache jahrelang plant, dann übersieht man nichts. Oder?
Meike sah die Yacht, die Vincent erfolgreich als Köder eingesetzt hatte, als dunklen Schatten auf dem Wasser liegen. Nur durch kleinste Lichtereflexe auf den Wellen konnte man sie überhaupt von ihrer Umgebung unterscheiden. Zu gerne hätte sie gewusst, was gerade an Bord vor sich ging. Wollte Vincent sie einfach nur aushungern oder startete er bald ein neues, perverses Spiel?
Ein Plätschern am Ufer. Meikes Kopf flog hoch.
»Konny?«, flüsterte sie. »Bist du das?«
Sie kam auf die Beine und schlich in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Wenn es Vincent war, der sich an sie heran pirschte, konnte sie nur noch eins tun. Sich ins Wasser stürzen und so schnell wie möglich zum Schiff schwimmen. Theoretisch musste die Treppe ausgeklappt sein, wenn Vincent die Yacht verließ.
Und deshalb ist er es nicht. Das riskiert er niemals.
Die Wolkendecke riss zum ersten Mal in dieser Nacht richtig auf. Schwaches, bläuliches Licht fiel auf
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