Sand & Blut
den Sand und Meike empfand Dankbarkeit. Langsam wusste sie auch kleinste Erleichterungen zu schätzen.
»Was machst du da, Konny? Komm zurück!«
Konny schwamm ein paar Meter vom Ufer entfernt ins Meer hinaus. Als er ihre Stimme hörte, hielt er kurz inne.
»Ich schwimme zum Ufer. Zumindest in die Richtung! Du kannst ja hier bleiben und dich morgen früh abmurksen lassen!«
Er drehte sich wieder um und schwamm weiter.
»Das schaffst du niemals! Du weißt ja nicht mal, wo das Ufer ist!«
»Ist mir scheißegal!«, rief Konny zurück. »Mich gabelt vielleicht ein Schiff auf! Aber hier verrecken wir garantiert!«
»Du hast Till umgebracht, du Scheißkerl!«, schrie Meike ihm hinterher. »Du hast sie nicht mehr alle!«
Konny hielt kurz inne und Meike dachte einen Moment, er würde zurückkommen. Sie hatte plötzlich Angst , dass er zurückkommen könnte. Aber dann entfernte er sich in der Dunkelheit und Meike hörte seine kräftigen Schwimmzüge. Konny war so gut wie tot.
Und sie selbst auch.
Sie erwachte in der Dunkelheit und erschrak. War sie eingeschlafen? Sie lag auf dem kühlen Sand und fror, aber daran hatte sie sich inzwischen gewöhnt. Es kam ihr vor, als hätte sie ihr Leben lang schon gefroren. Sie stöhnte leise, als es ihr wieder einfiel. Doreen und Till tot und Konny so gut wie tot. Und Vincent lauernd auf seinem Schiff. Sie im Bikini auf einer kalten, dunklen Sandbank. Meike wimmerte und rollte sich im Sand zusammen. Sie verhielt sich selbstmitleidig und das wusste sie auch, aber in dem Moment war es ihr egal. Nur noch ein paar Minuten, dann würde sie sich zusammenreißen und wieder tapfer sein. Aber bis dahin ... Meike fühlte Tränen in den Augenwinkeln. Diesmal hielt sie sie nicht zurück. Sie fühlte sich einsam, unverstanden, durstig, verlassen und vom Schicksal betrogen. Unecht. Ungerecht. Sie weinte eine Weile vor sich hin, schluchzte in den Sand und fror dabei.
Die Yacht schaukelte sanft und hörte sich ihre Heulerei geduldig an. Meike beruhigte sich langsam. Der Anfall war vorbei. Sie musste sich zwingen, klar zu denken. Nach Trauer kommt oft Wut und diese Situation stellte keine Ausnahme dar. Meike fühlte, wie der Zorn in ihr das Leid und die Tränen zurückdrängte. Sie hatte keine Schuld an Vincents Problemen, aber er ließ sie dafür büßen. Sie war unschuldig und Vince wusste das ganz genau. Aber das schien ihm egal zu sein.
Konny, das selbstsüchtige Arschloch (es tat ihr gut, ihn in Gedanken so zu nennen – richtig gut!), hatte auch nur an sich gedacht.
Selbstsüchtiges Mörderarschloch.
Es gab kein Wort, das ihren Hass auf Konny ausdrücken konnte, aber das war immerhin ein Anfang. Doreen mit ihrem dämlichen, stiefelleckenden, Konny-anschwärmenden Getue. Till, der sie nie wirklich ernst genommen und der Konnys ekelhafte Aktionen mitgemacht hatte.
Er hätte nein sagen können.
Hatte er aber nicht. Till hatte mitgemacht. Bei Melanie, bei Vincent und wer weiß bei wem noch. Und jetzt war sie allein noch übrig von einer Gruppe von Leuten, die ihr nicht gerade rühmliches Leben auf verschiedene Weise beendet hatten. Keiner von ihnen hatte wirklich gekämpft, sich dem Gegner gestellt. Konny, als Urheber der ganzen Schweinereien ... es wäre seine Aufgabe gewesen, sich Vincent zu stellen, fand Meike. Vor ihn hinzutreten und Gnade für die anderen zu erbitten, Vincent zu fragen, was er tun konnte, um es wieder gut zu machen. Reue zu zeigen. Vielleicht hätte er Vincent überzeugt. Vielleicht. Und sie wären alle frei gewesen. Und lebendig. Aber Konny schwamm jetzt entweder im stockdunklen Pazifik oder als Futter im Bauch diverser Fische umher.
Meike raffte sich auf. Sie würde nicht untätig hier sitzen bleiben und Vincent allein die Entscheidung überlassen, was nun weiter geschah. Ganz sicher nicht.
»Vincent!«, schrie Meike und ihre Stimme hallte über das Wasser. »Vince, verdammt! Komm raus da, du Feigling!« Sie wartete. Erst blieb alles ruhig, dann flammte an Deck der Yacht ein Licht auf. Er musste sie gehört haben. Meike zitterte vor Kälte und Aufregung. Sie würde das jetzt durchziehen, wobei sie nicht mal genau wusste, was sie durchziehen wollte. Aber hier warten, was er tun würde, das kam nicht in Frage.
»Ich lass mich nicht von dir umbringen! Hast du das kapiert? Mich bringst du nicht um! Ich hab dir nichts getan! Du brauchst nur einen Grund für deine Scheiß-Aktion hier!«
Sie hustete. Ihr Mund fühlte sich trocken, fast sandig an, und das Schreien
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