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Sandor Marai

Sandor Marai

Titel: Sandor Marai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Fremde
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über den Beton der Terrasse, von dem
trockene heiße Luft aufstieg, und sackte in den einzigen Liegestuhl, dem die
Ölbäume, die sich über die Brüstung neigten, nennenswerten Schatten spendeten.
    Einige
Minuten lag er allein in seinem Stuhl. Er zog das sorgfältig geglättete,
zusammengefaltete Blatt einer deutschen Zeitung aus der Hosentasche. Wie es
schien, hatte die Hiobsbotschaft jene Gäste, die in diesem Moment noch
einigermaßen geborgen hinter raschelnden Fächern und heruntergelassenen
Jalousien, neben eisgekühltem Mineralwasser und zu Pfützen versumpften
Speiseeisresten ausharrten, zu besonderer Zurückhaltung veranlaßt.
    Während sie
zu Mittag gegessen hatten, war ein einheimischer Straßenverkäufer vor dem Haus
erschienen und hatte seine Handarbeiten – Tischdecken, Halstücher und
handgewebte bunte Bettüberwürfe – auf der Steinmauer der Terrasse ausgebreitet.
Unterhalb der Mauer befanden sich zwei in steilen Stufen angelegte Gärten, ein
Tennisplatz und ein Gemüsegarten, der bis auf die Höhe des Meeresspiegels
abfiel. Von der Terrasse führte eine serpentinenartig gewundene, mit Kies
bestreute schmale Treppe zum Strand. Der Verkäufer wanderte die Treppe hinauf
und hinab, lautlos, mit schleppenden, vornehmen Bewegungen. Er holte Steine aus
dem Garten und beschwerte seine duftige Ware, die von der glutheißen, vom Meer
heraufwehenden Brise immer wieder zusammengerollt wurde. In seinen schwarzen
Baumwollpantoffeln, den weißen Wollstrümpfen, der ehemals schwarzen
abgenutzten Hose aus Englischleder und seiner mit roten Schnüren besetzten
kurzärmeligen Joppe bewegte sich der Verkäufer mit einfältiger und aparter
Schwermut so geräuschlos, als wäre er Teil einer seltsamen Trauerzeremonie. Die
Farben und Muster der Stickereien und Webereien entsprachen den dumpfen
Schattierungen der Landschaft, den kargen und traurigen Linien der Felsen, den
graugrünen Farbnuancen der verbrannten Vegetation. So, wie der Mann sich
bewegte, trat er mit seinen Waren nicht schärfer aus der Landschaft hervor als
die Ölbäume oder die Stauden der Hauswurz. Nach einiger Zeit ließ er sich auf
den obersten Stufen der Terrasse
nieder, bescheiden und abwartend, mit ratlosem Gesichtsausdruck, und lächelte
vor sich hin.
    In der Tür
erschien wie ein Schwarm die deutsche Tischgesellschaft, lärmend und unbefangen
im sicheren Gefühl der Stärke, die der Zusammenschluß gewährt. Voran,
tonangebend wie auch bei Tisch, die knochige braune Frau mit dem angenehmen
Gesicht und ihr Ehemann, der auch zum Mittagessen demonstrativ zwanglos im
Pyjama erschienen war. Er spazierte vor seiner Frau über die Terrasse, das
Binokel auf der Stumpfnase, die Schritte mit kurzsichtigem Mißtrauen setzend.
Seinen harten Kugelbauch schob er vor sich her wie ein angesehener Häuptling,
der sein Volk zielsicher durch gefährliches Gebiet führt. Auch sie machten die
Wahrnehmung, daß es sehr heiß sei.
    Die bunten
billigen Kleider der Frauen waren durchgeschwitzt. Die Hitze ist zu dieser
Stunde so drückend, schmerzlich und klebend, daß jeder Körper die Vorstellung
von Beschwernis und Unreinheit erzeugt.
    Einzig eine
grauäugige, aschblonde Frau hebt sich leuchtendweiß und kühl von der deutschen
Gruppe ab; mit der Selbstverständlichkeit der blutarmen und sehr weißhäutigen
Frauen bewegt sie sich in dem klebrigen Dampf, überlegen, als wäre sie in ihrem
Element, wohl wissend, daß sie im Kreis dieser zweitrangigen und triefenden
Leiber die einzige ist, die den Tücken des Klimas zu trotzen vermag. Ihr
Körper wirft die Hitzestrahlen zurück, als wären ihre hageren Muskeln nicht von Haut,
sondern von einer dünnen Asbestschicht überzogen.
    »Achtunddreißig«,
stellen auch die Mitglieder der eintreffenden Gruppe fest, sie schnappen nach
Luft, kichern in ihrer Pein und kommentieren den Hitzegrad. In Anbetracht der
Jahreszeit ist die Temperatur wirklich außergewöhnlich, selbst hier, im
südlichsten, stickigsten und immer tropisch schwülen Winkel der Adria. Ein
Belgrader Herr aus dem Ministerium, aus dessen pechschwarzem viereckigen Bart
ab und zu ein fettiger Tropfen fällt, erinnert sich nun, daß es hier vor
vierzehn Jahren in diesem Monat geregnet habe; dazu habe ein kalter Wind
geweht, und nur die Tapfersten hätten sich ins Meer gewagt.
    Die Gruppe
hat es sich auf den vom Dunst klebrigen Liegestühlen einigermaßen bequem gemacht.
Der Händler erhebt sich, wie einer, dessen Augenblick gekommen ist, tritt
neben seine Webereien

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