Sandra die Detektivin in Jeans
stirnrunzelnd an. „Wo die Jugend sich bloß nachts immer rumtreibt? Geht Maria auch noch aus?“
„Ja. Es ist schließlich Wochenende, Gerd.“
„Zu unserer Zeit..
Seine Frau unterbrach ihn. „Ingo möchte den Wagen haben“, sagte sie bittend.
Ihr Mann stellte hart die Flasche auf den Tisch. „Kommt nicht in Frage! Erstens ist der Wagen nicht in Ordnung. Zweitens finde ich es unverantwortlich, einem knapp Achtzehnjährigen einen schweren Wagen anzuvertrauen. Eines Tages verliert er die Gewalt darüber. Die Burschen haben doch alle einen Bleifuß auf dem Gaspedal. Das haben wir nun schon oft genug besprochen, Karola.“
„Du bist zu streng mit Ingo“, hielt seine Frau ihm vor. „Andere Jungen kriegen einen eigenen Wagen, sobald sie mit achtzehn den Führerschein haben.“
„Und tut es ihnen gut? Mit Vaters Kies kann man leicht protzen. So lernen sie nie, sich einzuschränken.“
„Ingos Vater hätte seinem Sohn längst ein Auto gekauft!“ Siegmunds Stirn färbte sich rot. „Schön, ich bin nur der Stiefvater. Das mußte ja jetzt kommen. Kauf ihm ein Auto. Soll er meinetwegen nachts durch die Gegend rasen, wenn du das billigst. Aber den Kombi bekommt er nicht. Von mir nicht! Und heimlich nimmt er ihn auch nicht mehr. Denkst du, ich lese es nicht vom Tacho ab, wenn er nachts unterwegs gewesen ist? Wo habe ich denn die Autoschlüssel?“
Er suchte vergeblich in seinen Hosentaschen.
„Bitte, Gerd...“, begann seine Frau einlenkend.
Doch was sie weiter sagte, interessierte Ingo nicht. Er hatte genug gehört. Der Streit des Ehepaares ging ihn nichts an.
Wenn Siegmund die Autoschlüssel nicht bei sich trug, mußten sie entweder noch im Kofferraumschloß stecken, oder sie befanden sich in der Servierjacke.
Ingo schlich auf Zehenspitzen zum Kleiderhaken an der Wand hinter dem Tresen.
Siegmund würde ihm heute nicht wieder die Tour vermasseln. Und morgen würde er mit seiner Mutter über den Kauf eines Gebrauchtwagens sprechen. Dann hatte der Ärger mit Siegmund ein Ende.
Ingo war gerade beim Kleiderhaken angelangt, als er seinen Stiefvater brüllen hörte: „Du verziehst die Kinder nach Strich und Faden! Aber da mache ich nicht mit. Zum letzten Mal — Ingo bekommt die Schlüssel nicht! Ich schließe jetzt das Lokal ab, und dann rede ich mit ihm. Er bleibt hier. Maria auch. Und wenn ihnen das Leben bei uns nicht paßt, sollen sie sich eine andere Bleibe suchen!“
Ingo war mit einem Sprung an der Tür mit der Aufschrift „Privat“, die seitlich neben der Gläser- und Getränkevitrine vom Lokal aus zur Treppe ins Obergeschoß führte. Er prallte gegen eine Gestalt.
Das Licht ging im selben Moment aus, als Gerd Siegmund die Tür zur Gaststube aufriß — und Torsten durch die Pendeltür von der Straße her ins Lokal schritt.
Torsten hatte im „Anker“ noch Licht gesehen und war die letzten hundert Meter gerannt, um das Lokal zu erreichen, bevor es schloß.
Verwirrt stolperte er ins Dunkle.
Er hörte einen dumpfen Schlag. Hörte Glas splittern. Ein Mann schrie auf. Ein schwerer Gegenstand stürzte zu Boden.
Jemand lief auf ihn zu.
„Halt...!“ rief Torsten. Und wurde im selben Moment gepackt und gegen den Tresen geschleudert. Er fiel hin. Der Plastikbeutel in seiner Hand knallte mit Wucht gegen die Stahlkante der Tresenecke. Torsten hörte, wie die Schnapsflasche zerbrach. An seinem linken Unterarm spürte er den Absatz eines Schuhs.
Eine Frauenstimme rief: „Gerd...! Gerd...!“
Eine Tür wurde aufgestoßen und schlug gegen die Wand, und das flackernde Licht einer Kerze erschien über ihm.
Torsten zog sich verstört an der Tresenkante hoch, während die Wirtin gellend schrie: „Überfall! Hilfe! Überfall...!“
„Ich... Was war denn?“ stammelte Torsten.
„Hilfe...!“ schrie die Frau, und wich entsetzt vor Torsten zurück.
„Ich tue Ihnen doch nichts!“
„Hilfe! Ingo, Maria...!“ schrie die Frau.
Jemand polterte eine Treppe hinunter.
Torsten drehte sich um, stürzte, einen Stuhl umstoßend, aus dem Lokal, und fing an zu rennen.
An einer Bank auf dem Leinpfad machte er keuchend halt, um zu verschnaufen. Um nachzudenken. Um zu überlegen.
Der „Anker“-Wirt war offensichtlich überfallen und niedergeschlagen worden. Das war entsetzlich.
Und er selbst, Torsten, hatte den Überfall miterlebt — und war geflüchtet. Das war noch viel entsetzlicher. War glatter Wahnsinn. Denn damit hatte er sich der Tat verdächtig gemacht.
Warum war er nur so in Panik
Weitere Kostenlose Bücher