Sandra die Detektivin in Jeans
der Gaststube telefoniert?“ fragte Ruhwedel, als Ingo mit seiner Schwester, die das Tablett mit Kaffee und Geschirr trug, hereinkam.
„Ja. Ich wurde von einem Freund angerufen“, erwiderte Ingo höflich. Offenbar hatten Marias Vorhaltungen das bewirkt. „Anschließend ging ich durch den Privatausgang wieder nach oben.“ Ingo deutete auf die Tür rechts neben der Vitrine.
„Und wo waren Sie?“ Ruhwedel blickte Maria an.
Maria stellte das Tablett ab und schenkte Kaffee ein. „Auch oben. In meinem Zimmer. Seit neun Uhr etwa. Ich badete und machte mich zum Ausgehen fertig.“
„Ach, Sie hatten ebenfalls vor, so spät noch auszugehen?“ Maria hob ihre Augenbrauen. „Ich bin zwanzig, Herr Oberinspektor.“
„Der Täter durfte also vermuten, daß Sie und Ihr Mann sich allein im Haus befanden, Frau Siegmund? — Möglicherweise war ihm gar nicht bekannt, daß Sie wieder geheiratet haben?“
Frau Siegmund hob die Schultern. „Die Kinder gehen am Wochenende immer aus.“
„Und von Ihnen hat niemand den jungen Mann gesehen, der etwas früher am Abend zwei Cola kaufte?“ Ruhwedel blickte das Geschwisterpaar forschend an.
Ingo und Maria schüttelten den Kopf.
„Der letzte Gast sah ihn“, erinnerte die Wirtin.
„Ich habe seinen Namen notiert“, sagte Inspektor Panke.
„Und Sie sind ganz sicher, daß es derselbe junge Mann war, den Sie bei dem niedergestreckten Körper Ihres Mannes antrafen?“ forschte Ruhwedel. Er hob die Hand, als Frau Siegmund spontan antworten wollte. „Sie hatten laut Ihrer eigenen Aussage nur einen Kerzenstummel in der Hand. Das war kein sehr gutes Licht“, gab er zu bedenken.
„Ich habe ihn trotzdem wiedererkannt“, sagte Frau Siegmund, fast beleidigt.
„Woran?“
„An seinen Schuhen. Es waren schmutzig-weiße Segeltuchschuhe, halbhoch. Der linke Schuh hatte an der vorderen Außenseite einen Flicken aus hellerem Material.“
„Ist doch ganz klar, Herr Oberinspektor“, mischte Ingo sich ein. „Der Kerl kam herein, um die Lage zu peilen. Er lauerte draußen, bis der Gast ging. Dann kam er zurück, um uns auszurauben.“
Oberinspektor Ruhwedel wechselte mit Inspektor Panke einen fragenden Blick.
Was Ingo sagte, klang einleuchtend. Und doch schien die Sache für den erfahrenen Kriminalisten nicht ganz eindeutig zu sein.
Wenn der Täter einen Überfall plante, weshalb verhielt er sich dann gegen jede Regel und Gewohnheit?
Er hätte beispielsweise den Wirt mit einem Revolver bedrohen und die Herausgabe des Kasseninhaltes fordern können. Hatte er es jedoch lediglich auf Spirituosen abgesehen, weshalb wartete er dann nicht, bis das Lokal dunkel geworden und die Wirtsleute zu Bett gegangen waren? Durch ein Fenster einzusteigen, entsprach eher den Gewohnheiten eines Einbrechers.
Oder handelte es sich um einen Zufallstäter? Er kam noch einmal zurück, um etwas zu trinken. Er sah, daß das Lokal leer war und fand die Gelegenheit günstig, sich mit Schnaps zu versorgen. Möglicherweise war er ein Alkoholiker, der dringend Stoff brauchte. Als dann die Tür zwischen Küche und Lokal aufging, geriet er in Panik, denn er mußte befürchten, bei seinem Diebstahl entdeckt und der Polizei übergeben zu werden.
Oberinspektor Ruhwedel sah an dem Gesichtsausdruck seines Mitarbeiters, daß auch ihm einiges am Tathergang mißfiel.
Ruhwedel stand auf und ging zu dem Sicherungskasten, der an der Wand zwischen der Vitrine und der Tür, die zur Treppe ins Obergeschoß führte, installiert war. „Der Täter hat also Ihrer Meinung nach die Klappen der Sicherungen heruntergedrückt und damit im ganzen Haus das Licht ausgeschaltet, als er Ihren Mann die Tür öffnen hörte?“ fragte er die Wirtin.
„Ja, mein Mann ging zur Tür. Da wurde es plötzlich dunkel.“
„Ging er zur Tür, als es dunkel wurde — oder öffnete er sie bereits?“
„Das... das weiß ich nicht mehr so genau.“
Ruhwedel kam zurück. „Woher nahmen Sie so schnell eine Kerze?“
Maria schaltete sich ein. „Meine Mutter hat Angst vorm Gewitter. Sie finden bei uns in jedem Zimmer eine Kerze und Streichhölzer.“
Der Leiter der Spurensicherung trat an den Tisch. „Wir sind fertig, Heinz.“
„Gut, Walter. Wir sehen uns morgen im Präsidium.“
Ingo stand auf. „Kann ich jetzt gehen?“
„Einen Augenblick bitte noch“, sagte Ruhwedel.
„Aber wir haben doch alles gesagt, was wir wissen.“
„Willst du jetzt noch weg, Ingo? So spät? Ich habe Angst. Bleib hier“, bat seine Mutter.
„Maria ist
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