Sandra die Detektivin in Jeans
Er befand sich gerade nach seiner Verwundung wieder auf dem Weg zu einer neuen Einheit. Er floh, um nicht in Gefangenschaft zu geraten, und kam zu meinen Eltern. Wir wohnten auf dem Land. Wir waren weitläufig miteinander verwandt, deshalb suchte er uns auf. Als wir heirateten, zogen wir in die Stadt. Unsere Ehe ging von Anfang an nicht gut.“
Ich war zu jung für ihn, dachte sie. Seine Kriegserlebnisse, mit denen er nie fertig wurde, trennten ihn von mir. Er wiederum konnte mich nicht verstehen. Er hatte nie eine Jugend in Freiheit, in Wohlstand, ohne Drill und ohne politischen Zwang kennengelernt. Er begriff nicht, daß ich es als natürlich ansah, auf die Bedürfnisse der Kinder einzugehen. Er schalt mich weichlich, sagte, ich verzöge die Kinder, wenn ich mich dagegen wehrte, daß er sie zu streng, zu autoritär erzog.
„Eines Tages ging mein Mann fort“, sagte sie zu den Beamten. „Er schrieb mir, daß er irgendwo ein neues Leben anfangen möchte. Unsere Ehe wurde geschieden. Ich habe nie wieder von ihm gehört.“
„Und seine Sachen? Haben Sie ihm seine Sachen nachgeschickt — oder was haben Sie damit gemacht?“ fragte der nette blonde Beamte und hob Rainers Matratze hoch.
„Alles, was meinem Mann gehörte, bewahrte er in einer Kiste auf“, sagte Frau Faber, erschöpft am Türrahmen lehnend. „Die Kiste enthält Fotos, Kriegsandenken und ein paar Sachen, die er aus der elterlichen Wohnung rettete.“
„Wo ist die Kiste?“ fragte der andere, ein älterer Beamter.
„In der Abstellkammer. Sie ist abgeschlossen. Mit einem Vorhängeschloß gesichert. Was soll denn das? Die Kiste enthält nur unwichtige Dinge.“
„Würden Sie uns die Kiste bitte zeigen?“ bat der Blonde. „Hören Sie, Rainer war doch in der Nacht gar nicht zu Hause! Wie kann er da die Pistole zurückgelegt haben?“ wandte Frau Faber verzweifelt ein.
„Sie wissen also doch von der Pistole?“ fragte der ältere Beamte.
Frau Faber wurde rot. „Ja... Ich... Jetzt erinnere ich mich. Ich glaube, daß mein Mann damals so ein Ding mitbrachte. Er befand sich doch auf dem Weg zur Front, als er sich absetzte. Ich habe die Pistole später nie mehr gesehen. Ich habe Angst vor Schußwaffen. Ich bat ihn, sie loszuwerden.“
„Und Sie haben seine Sachen nicht durchsucht, als er fortging?“
Frau Faber straffte ihren Rücken. „Nein!“ sagte sie hart. „Dieses Kapitel meines Lebens war abgeschlossen. Ich habe ihm die Sachen aufgehoben für den Fall, daß er sie abholen käme. Alles andere interessierte mich nicht.“
„Und wo ist nun die Kiste?“ fragte der Blonde und trat in den Flur.
„Die Kinder wissen nichts davon!“ sagte Frau Faber verzweifelt. Sie war nicht sicher, ob Rainer und Sandra nicht doch von der Kiste wußten. Kinder sind neugierig, überlegte sie, und sie waren sich oft allein überlassen. Da war es möglich, daß sie die Wohnung durchstöberten. Jetzt, wo die Beamten nach der Pistole forschten und sie törichterweise die Kiste erwähnt hatte, bekam sie Angst. Sie hatte die Pistole wirklich vergessen gehabt. Auch die Kiste. Warum hatte sie sie nicht schon Vorjahren fortgeschafft?
Der Blonde drehte sich zu ihr um, sah, daß sie fahl aussah, daß die Frau sich kaum noch auf den Beinen halten konnte.
„Hören Sie, Frau Faber“, sagte er beruhigend. „Wir möchten Ihrem Sohn doch helfen. Es liegt uns nichts daran, einen Unschuldigen zu verdächtigen, sondern den wirklichen Täter zu ermitteln. Zeigen Sie uns die Pistole. Wir werden sie untersuchen lassen. Falls sich herausstellt, daß sie kürzlich nicht benutzt worden ist und daß die Kugel nicht aus dieser Waffe stammt, sind wir doch einen gewaltigen Schritt weitergekommen. Es würde Ihren Sohn weitgehend entlasten. Sehen Sie das nicht ein?“
Frau Faber nickte. Sie ging den Beamten ans Ende des Flures voraus und öffnete die Tür zur Abstellkammer. Es war ein kleiner, fensterloser Raum. Frau Faber knipste die Deckenlampe an.
Eingemachtes stand auf Regalen. Schuhe lagen herum. Auf einem anderen Regal lag altes Kinderspielzeug, Rollschuhe und Federballschläger. An der gegenüberliegenden Wand standen ein Wäschekorb, ein Putzeimer, Schrubber, Besen, Mopp und ein Staubsauger. An der Rückseite des Raumes waren Wolldecken, Matratzen und ein Kinderfederbett aufgetürmt.
Frau Faber räumte das Federbett, die Matratzen und die Decken beiseite. Eine alte bunte Tischdecke kam zum Vorschein, die bis zum Fußboden hing. Frau Faber zog sie fort und legte damit
Weitere Kostenlose Bücher