Sandra die Detektivin in Jeans
aussehenden grauen Terrier auf ihrem Schoß und schnitt mit einer Schere die verfilzten Haare aus seinem Fell.
Der Hund sträubte die Nackenhaare, als Sandra sich näherte, fing an zu kläffen und strampelte, um sich auf den Eindringling zu stürzen. Doch Frau Arnold hielt ihn mit festem Nackengriff. Die Katzen, die ringsum auf den Steinfliesen lagen, blinzelten nur träge. Zwei junge Hunde von unbestimmbarer Rasse klopften zur Begrüßung mit den Schwänzen auf den Boden. Sie kannten Sandra und wußten, daß ihr Besuch meistens mit einem Leckerbissen verbunden war.
„Tag, Frau Arnold“, sagte Sandra, wickelte ihre Mitbringsel aus und fütterte die Tiere, die aufgeregt und gierig herbeikamen. „Wo haben Sie den her?“ fragte sie und näherte vorsichtig ihre Hand mit einem Wurstzipfel dem Fremdling auf Frau Arnolds Schoß, wobei sie beruhigend auf ihn einsprach.
„Vom Hafen. Schiffer werden ihn ausgesetzt haben. Er trieb sich zwischen den Lagerhäusern herum. Wollte gar nicht mitkommen. Ich mußte ihn tragen. Vermutlich hoffte er, seine Leute kämen zurück, denn er lief auf jedes anlegende Schiff zu. Armer Kerl, er war halb verhungert“, berichtete die Katzen-Marie. Sie war eine große schwere Frau mit einem mächtigen Busen.
Der Terrier schnappte nach der Wurst und fing gierig an zu schlingen.
Frau Arnold stand auf und trug ihn zu einem kleinen Zwinger. „Ich muß ihn ein paar Tage isolieren. Er soll sich erst eingewöhnen. Er jagt die Katzen“, erklärte sie ihre ungewohnte Maßnahme. Bei der Katzen-Marie fraßen Hunde und Katzen aus einem Napf. Wenn artfremde Tiere sich von klein auf aneinander gewöhnen, leben sie ohne Feindschaft zusammen, behauptete sie. Das friedliche Miteinander ihrer Tiere bewies es. Auf dem großen, wildbewachsenen Gartengrundstück tummelten sich Enten, Hühner, Tauben, Katzen und Hunde in seltener Eintracht.
„Magst du ein Quarkbrot?“ fragte Frau Arnold.
Sie schien ausschließlich von Quark zu leben. Von Quark und selbstgemachter Marmelade. Sandra liebte ihre Quark-Marmeladenbrote. Doch heute schüttelte sie den Kopf. „Ich gehe mal rein.“
„Ist recht“, erwiderte Frau Arnold und ging, ohne sich darum zu kümmern, was Sandra im Haus suchte, mit einer Gießkanne zum Wasserhahn an der Hausecke, um ihre Kartoffelbeete zu bewässern.
Das Harmonium stand im ehemaligen Schlafzimmer des Ehepaares. Seit ihr Mann tot war, schlief Frau Arnold im Wohnzimmer auf einer Couch. Das Schlafzimmer betrat sie nur noch, um ein Kleidungsstück aus dem Schrank zu holen oder hineinzuhängen.
Die Fensterläden waren geschlossen. Es roch modrig und alt. Sandra knipste das Licht an und setzte sich ans Harmonium. Laut und dumpf brummten die Bässe. Laut und mißtönend die hellen Akkorde. Sandra zog die Register, drückte mit Wucht auf die Klaviatur.
Doch wenig später stand sie bereits wieder draußen im Sonnenlicht.
„Was ist los?“ fragte die Katzen-Marie, die zum zweiten Wasserholen aus dem Garten zurückkam.
„Mein Bruder ist verhaftet.“
„Hat er geklaut?“
Sandra schüttelte den Kopf. „Er soll auf seine Freundin geschossen haben.“
„Warum?“
„Weil sie jetzt mit ‚nem anderen geht. Aber das tut sie schon länger. Warum sollte er erst jetzt auf sie schießen? Außerdem hat Rainer gar keine Pistole. Wenn er sagt, er hat keine und er war‚s nicht, dann muß man ihm glauben.“ Sandra scharrte mit dem Fuß im Sand. „Ich glaube ihm. Er würde so was nie tun. Er ist ja immer noch in Eva verknallt.“
Die Katzen-Marie hielt die Gießkanne unter den Wasserstrahl. „Was sucht das Mädchen denn bei dem anderen?“
„Geld hat mein Bruder keins. Aber der andere, das ist ein richtiger Rocker. Er hat Rainer zusammengeschlagen. Rainer hat sich bestimmt nicht mal gewehrt. Unser Rainer ist doch ein Schaf, der läßt sich alles bieten.“
„Und der andere nicht?“
„Wenn er einen Jungen zusammenschlägt, nur weil der mit seiner Freundin spricht!“
„Würde ich mal bei dem nach einer Pistole suchen“, meinte die Katzen-Marie und drehte den Wasserhahn zu.
„Das ist es ja eben!“ rief Sandra verzweifelt. „Herr Seibold sagt, daß er genauso in Eva verknallt ist wie Rainer und verrückt vor Sorge, wie es ihr geht.“
Die Katzen-Marie runzelte die Stirn. „Könnte ja auch eine andere Ursache haben, seine Sorge“, meinte sie bedächtig.
Sandra starrte sie verständnislos an. Doch dann schnappte sie plötzlich nach Luft, drehte sich auf dem Absatz um und stürmte
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