Sandra die Detektivin in Jeans
zur Gartenmauer. Die Hunde, die das als Aufforderung zum Spielen auffaßten, hetzten bellend hinter ihr her.
Sandra lief über die Terrasse, rannte beinahe ihre Großmutter um, die mit einem Kaffeetablett herauskam, fragte atemlos: „Ist Herr Seibold in seinem Zimmer?“ Wartete jedoch die Antwort nicht ab, sondern lief weiter, klopfte bei Herrn Seibold an und öffnete die Tür.
„Wenn er sich nun deshalb nach Eva erkundigt, weil er wissen will, ob sie ihn der Polizei verraten kann?“ rief sie Herrn Seibold zu.
Florian Seibold saß an seinem Schreibtisch. Er drehte sich halb in seinem Sessel um und schielte über den Rand seiner Arbeitsbrille. „Was spinnst du dir da zusammen?“ sagte er.
Sandra wippte aufgeregt mit den Füßen. „Eva sagte am Telefon, daß sie etwas Schreckliches erlebt hat. Wenn das nun doch mit Markus zusammenhängt? Weil er verhindern wollte, daß sie etwas weitererzählt, deshalb hat er auf Eva geschossen...!“
„Sag mal, hältst du die Polizei für dumm?“ wandte der Exanwalt ein.
Doch Sandra ließ sich nicht beirren. Eigensinnig fuhr sie fort: „Wenn es aber doch so wäre? Dann will er jetzt doch wissen, ob Eva den Anschlag überleben wird!“
„Die Polizei hat Eva bereits verhört. Wenn es so wäre, wie du meinst, daß Eva Mitwisserin einer strafbaren Handlung ist, dann hätte sie das den Beamten mitgeteilt, und der Bursche wäre längst verhaftet — was immer er auch getan haben mag.“
Sandra biß sich auf die Lippen. Sie dachte angestrengt nach, während Herr Seibold sich wieder seinen Papieren zuwandte.
„Und wenn sie Angst hat und sich deshalb nicht traut, Markus der Polizei zu verraten?“ sagte sie plötzlich.
Florian Seibold nahm seine Brille ab und musterte Sandra. „Dann wäre Eva immer noch in Lebensgefahr!“ fuhr Sandra fort. „Markus weiß ja nicht, daß sie vor Angst dichthält. Und wenn er erfährt, daß sie durchkommt, schleicht er vielleicht ins Krankenhaus und wird ein zweitesmal versuchen, Eva zu ermorden.“
Zu ihrer Enttäuschung schüttelte Herr Seibold ärgerlich den Kopf. „Wir sind hier nicht in einem amerikanischen Krimi, Sandra, das habe ich dir, glaube ich, schon einmal gesagt! Eva liegt noch auf der Intensivstation. Dort werden die Patienten ständig von einem Arzt überwacht, damit bei einer Verschlechterung ihres Zustandes sofort Hilfsmaßnahmen eingeleitet werden können. Sobald es Eva besser geht, wird sie auf die Chirurgische Abteilung verlegt, und zwar in ein Zwei- oder Dreibettzimmer. Wie sollte sie da inmitten anderer Patienten gefährdet sein, selbst wenn Markus ihre Aussage fürchten müßte. Also, höre bitte mit diesem Unsinn auf.“
„Ich möchte Rainer doch nur helfen“, sagte Sandra.
„Ich weiß, Mädchen.“ Herr Seibold nickte ihr tröstend zu. „Ich sage ja auch nicht, daß deine Theorie völlig abwegig ist. Ich werde mich mit meinem Sohn darüber unterhalten. Und du hörst jetzt auf, Detektiv zu spielen. Überlaß die Ermittlungen der Polizei. In Ordnung?“
Geschäftig setzte Florian Seibold seine Brille auf und griff nach seinem Füllfederhalter.
Doch als Sandra hinausgegangen war, legte er den Füllfederhalter wieder hin, nahm das Telefonbuch zur Hand und suchte die Nummer vom Einwohnermeldeamt, um sich nach der Adresse von Markus Siebert zu erkundigen.
Florian Seibold in Aktion
Nach dem Frühstück am nächsten Morgen entwickelte Florian Seibold eine ungewohnte Geschäftigkeit.
Obwohl es ein strahlend schöner Tag war, keine Wolke am Himmel stand und der Wetterbericht Tageshöchsttemperaturen bis zu 28 Grad angekündigt hatte, überraschte er seine Haushälterin mit der Aufforderung, ihm seinen alten Regenmantel bereitzulegen.
„Was soll denn die Verkleidung?“ erkundigte sich Frau Ansbach verwundert, als Herr Seibold sich verabschiedete, und starrte entgeistert auf die ausgediente Aktentasche unter seinem Arm und die ausgetretenen Schuhe an seinen Füßen, die der Hausherr sonst nur bei der Gartenarbeit trug.
„Hab was zu erledigen. Warten Sie nicht mit dem Essen auf mich“, erwiderte Florian Seibold kurz angebunden. Er rief Susi und machte sich mit ihr auf den Weg zur Bushaltestelle.
In einem Kaufhaus in der Innenstadt kaufte er 20 bunte Ansichtskarten, je 3 Stück zu einer Mark, und in einer Konditorei Kaffeegebäck als Ersatz fürs Mittagessen.
Mit der Linie 9 fuhr er nach Harting hinaus, einem kleinen Vorort mit ländlichem Charakter.
Als er dort ankam, ging es mittlerweile auf 12 Uhr zu.
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