Sands, Lynsay - HG 128 - Doppelspiel aus Liebe
Vetter Ralphy zu fliehen.“
Erneut zuckte Radcliffe zusammen. „Ralphy? Ich dachte, ihr wärt nach London unterwegs.“
Beth lächelte entschuldigend. „Nun – nein, das waren wir eigentlich gar nicht. Das erzählte Charlie Ihnen nur für den Fall, dass Sie zufällig auf Onkel Henry treffen und uns dann verraten würden. In Wahrheit waren wir tatsächlich zu Ralphy unterwegs.
Er ist nämlich unser Vetter mütterlicherseits“, führte Beth geduldig aus, „und soweit uns bekannt, weiß Onkel Henry nichts von ihm. Ralphys Haus schien uns der beste Zufluchtsort zu sein, doch für eine Frau ist diese Reise nicht sicher, auch nicht für zwei Frauen. Deshalb beschloss Charlie, sich als Mann zu verkleiden. Sie war der Ansicht, das würde genügen, uns irgendwelche Tunichtgute vom Leibe zu halten und es für Onkel Henry schwerer zu machen, uns aufzuspüren. Er würde ja nach zwei Frauen suchen, verstehen Sie?“
„Ich verstehe.“ Radcliffe entsann sich des Jünglings, der ihm in den Stallungen des Gasthofes gegenübergetreten war. Dessen Furchtsamkeit hatte sich ganz deutlich gezeigt, doch gleichermaßen offensichtlich war die Entschlossenheit des jungen Burschen gewesen, seine – ihre! -Schwester zu beschützen. „Weshalb habt ihr beide mir denn nicht die Wahrheit gesagt?“
„Damals kannten wir Sie doch noch nicht, Mylord.“
„Anfangs sicher noch nicht“, räumte er ein, „doch später, als ich euch meine Hilfe anbot …“
„Die wir nie hatten annehmen wollen. Wir versuchten sogar, sie abzulehnen, wie Sie sicherlich erinnern, doch Sie wollten uns ja nicht unserem Schicksal überlassen. Also waren wir gezwungen, mit Ihnen nach London zu reisen. Allerdings hatten wir vor, uns nachts davonzuschleichen und dann allein zu Ralphy weiterzureisen.“
Radcliffe zog die Brauen hoch. „Und weshalb tatet ihr es dann doch nicht?“
„Sie hielten ja nicht an“, erklärte Beth. „Wir hatten erwartet, dass Sie uns zwecks Übernachtung in den nächsten Gasthof bringen und am darauf folgenden Morgen die Reise fortsetzen würden. Sie indes fuhren die ganze Nacht hindurch und hielten erst am nächsten Morgen an. Zu diesem Zeitpunkt waren wir zu erschöpft, um noch fliehen zu können.“
Radcliffe lächelte gequält und erinnerte sich daran, wie müde „Charles“ im ersten Morgengrauen im Zimmer umherstolperte. Sie war ein großes Risiko eingegangen, indem sie diesen Raum mit ihm geteilt hatte. Schließlich hätte er sie entdecken und ihr die Unschuld rauben können.
Ihm fiel wieder ein, wie er sie bei seinem Erwachen an seinen Körper geschmiegt vorgefunden hatte und wie er auf die unmittelbare Nähe des „Jungen“ körperlich reagiert hatte. Hätte er seinerzeit schon gewusst, was er jetzt wusste … Radcliffe schob solche Gedanken lieber zur Seite.
„Weshalb seid ihr dann nicht in der ersten Nacht verschwunden?“ wollte er wissen.
Beth zuckte die Schultern. „Sie hatten auf die Notwendigkeit hingewiesen, eine Waffe mitzuführen. Wir besaßen keine. Nach einiger Zeit lernten wir Sie auch näher kennen, Mylord, und da begannen wir Sie sehr zu mögen. Es schien uns nicht mehr richtig, uns mitten in der Nacht aus dem Staub zu machen, nachdem Sie so nett zu uns gewesen waren. Also entschieden wir, dass London für uns das bessere Ziel wäre. Sie hatten sich erbötig gemacht, uns bei dem Verkauf unseres Schmucks zu helfen …“
Schuldbewusst errötete sie und warf einen raschen Blick auf Tomas. „Nun, wir hofften, dass wir beide einen Ehemann finden würden, so dass wir uns nicht mehr auf dem Landsitz unseres Vetters zu verstecken und dort ein Leben als alte Jungfern zu führen brauchten“, gestand sie.
Tomas lächelte und legte ihr liebevoll einen Arm um die Schultern. „So ist es ja auch gekommen, Liebste, und dafür bin ich dankbar.“
„Ich ebenfalls. Von Anfang an fühlte ich mich zu dir hingezogen, doch dass du für mich der Richtige warst, wusste ich erst seit jenem Tag in Radcliffes Club“, flüsterte Beth zurück und schmiegte sich so dicht an ihn, dass ihr Radcliffes erneutes Zusammenschrecken entging.
„In meinem Club?“ fragte er restlos verwirrt. „Wann warst du denn in meinem Club?“
„An dem Tag nach unserer Ankunft in London, Mylord.“ Beth warf ihm einen erstaunten Blick zu. „Erinnern Sie sich nicht mehr?“
„Dorthin nahm ich Charles mit, und nicht dich.“
„An diesem Tag war ich doch Charles!“
„An diesem Tag?“ Das schien ihn absolut durcheinander zu bringen.
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