Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
lebten.
Es hätte schlimmer enden können.
Sehr viel schlimmer.
Epilog
I ch dachte, Sie hätten genug von diesen ›blödsinnigen‹ Sitzungen«, sagte Dr. Randall knapp zehn Monate später, als Carter unangekündigt bei ihm auftauchte.
»Habe ich auch.« Er trat in den Raum, in dem er sich viele Monate lang so manches von der Seele geredet hatte, und betrachtete stirnrunzelnd die weiche Ledercouch, die pastellfarbenen Seelandschaften, den eichenhölzernen Bücherschrank voller Fachbücher über alle erdenklichen Arten von Psychosen, Geisteskrankheiten oder Syndromen.
Ein Farn in der Ecke beim Fenster, in dem sich das letzte Licht des Sommers fing, gedieh prächtig und trieb frische grüne Wedel.
Randall schien erfreut zu sein, fast als sei der verlorene Sohn endlich heimgekehrt. Sie standen beide an dem Fenster mit Blick auf den Parkplatz. »Ich habe im Augenblick keine Zeit. Ich wollte gerade gehen.«
»Schon gut, ich will Ihre Zeit auch gar nicht über Gebühr in Anspruch nehmen. Ich will Sie nur daran erinnern, dass ich die Augen offen halte, okay? Man munkelt, Sie schreiben ein Buch.«
»Davon träumt wohl jeder.«
»Ich nicht.«
»Tja, wir können nicht alle Schriftsteller sein«, bemerkte Randall.
»Wie ich hörte, basiert es mehr oder weniger auf Seth Whitakers Besessenheit von Jenna Hughes.«
Randall strich über seinen Kinnbart und erwiderte mit einer ausweichenden Handbewegung: »Es handelt von einem labilen Menschen, der von einem Exfilmstar besessen ist.«
»Und es hat auch schon jemand angebissen, stimmt’s? Ein Agent und ein Verlag zeigen sich interessiert, selbst Hollywood klopft bei Ihnen an.«
»Nun … davon weiß ich nichts.« Randall blickte auf seine Uhr. Carter wies mit einer Kopfbewegung auf den Parkplatz, und als der Psychologe der Aufforderung folgte und aus dem Fenster blickte, sah er, dass Jenna hinter dem Steuer ihres Jeeps bei laufendem Motor in der heißen Nachmittagssonne wartete.
»Für Sie scheint sich alles gut zu entwickeln, wie ich sehe«, bemerkte Randall mit der Andeutung eines Lächelns. »Vielleicht ist der Winter doch gar nicht so schlimm.«
»Vielleicht. Und, ja, alles entwickelt sich prima. Aber Jenna hat noch Beziehungen in L. A., und dort kursieren Gerüchte, dass ihr Exmann versucht, eine Geschichte zu verfilmen, die verteufelte Ähnlichkeit mit Ihrer hat.«
»Tatsächlich?« Randalls humorloser Blick begegnete seinem, und Carter bemerkte diesen Hauch von Überlegenheit, den leicht abschätzigen Ausdruck, den Dean M. Randall, Doktor der Psychologie, für Menschen übrig hatte, die nicht so intelligent waren wie er. Immerhin hatte er nicht gelogen und es abgestritten.
»Ich finde, Sie sollten wissen, dass ich Sie im Verdacht habe, die Sitzungen mit mir auf Band mitgeschnitten zu haben.«
Randall furchte die Stirn. »Ich soll Ihre Sitzungen aufgezeichnet haben?«
Wieder eine Nicht-Lüge. »Und falls irgendetwas, auch nur eine Spur von dem, was ich Ihnen anvertraut habe, in Ihrem Buch auftaucht, dann verklage ich Sie.«
»Ich würde niemals …«
»Natürlich nicht«, fiel Carter ihm ins Wort und setzte sein entwaffnendstes Lächeln auf. »Ich wollte Sie nur warnen.«
Damit ging Carter. Er ging zur Tür hinaus, die Treppe hinunter und nach draußen, wo der Spätsommer bereits den ersten Vorboten des Herbstes wich. Der Parkplatz war trocken, ein bisschen Laub lag auf dem Gehsteig. Falls Crossing hatte den härtesten Winter seit fast einem Jahrhundert überstanden, und wenn auch ein paar Narben blieben, hatte Randall doch Recht: Alles hatte sich gut entwickelt.
Es hatte geraume Zeit gedauert, bis die Polizei die Leichen der Frauen fand, die Seth Whitaker entführt hatte. Sie waren in Planen gewickelt auf seinem Grundstück versteckt, wo die nackten, gefrorenen Körper der endgültigen Entsorgung harrten. Schließlich wurden Sonja Hatchell, Roxie Olmstead und Lynnetta Swaggart entdeckt, alle drei mit geschorenen Köpfen und abgeschliffenen Zähnen. Sonjas Wagen stellte man in einem alten Schuppen sicher. In einer Schublade verschlossen fand sich eine Zahnkonstruktion, die mit Hilfe eines vom Drehort für White Out gestohlenen Abdrucks hergestellt worden war. So konnte Seth all seinen Schaufensterpuppen Jennas spektakuläres Lächeln verleihen. Die Leute von der Spurensicherung, Psychologen vom FBI und natürlich die Presse feierten große Erfolge in diesem Fall.
Carter war in den Stand des Helden der Stadt erhoben worden, ein Attribut, das er
Weitere Kostenlose Bücher