Sanfte Eroberung
erleichtert, dass Heath sein beharrliches Schweigen brach, als seine Kutsche in der Nähe der Pension anhielt.
»Ich beabsichtige, dich morgen Nachmittag zu besuchen. Um ein Uhr, wenn es genehm ist. «
Sie erwog, abzulehnen. »Ja, ein Uhr ist genehm.«
»Trag eine Pelisse und einen Schleier. Wir machen eine Ausfahrt. «
»Aha?«, sagte Lily neugierig.
»Ich möchte dir etwas zeigen.«
Heath weigerte sich, Näheres zu erklären, half ihr aus der Kutsche und begleitete sie bis zum Dienstboteneingang der Pension. Eine seltsame Traurigkeit bemächtigte sich Lilys, als er ihr förmlich eine gute Nacht wünschte und wartete, bis sie im Haus war. Vor allem jedoch traf sie seine unerwartete Wut - die und das Gefühl, sie hätte ihn furchtbar enttäuscht.
Falls sie gehofft hatte, sie könnte unbemerkt in ihr Zimmer gelangen, wurde sie bald schon eines Besseren belehrt. Kaum wollte sie die hintere Treppe hinaufgehen, entdeckte sie Fanny, die ihr über den Korridor entgegenkam. Erstaunlicherweise lief Basil direkt hinter ihr.
»Kann ich dich kurz sprechen, Lily?«, rief Fanny ihr zu.
»Ja, natürlich.«
Basil blieb neben Fanny stehen. »Ich lasse euch dann allein. Falls du mich brauchst, Fanny, ich bin dir stets zu Diensten.«
»Ich danke dir, Basil«, antwortete Fanny mit einem sanften Lächeln. »Unsere kleine Unterhaltung hat mir sehr gutgetan. «
Basil sah sie merkwürdig an, beinahe schmerzlich, was Lily verwunderte. Die Spannungen zwischen Basil und Fanny waren nach wie vor spürbar, nicht aber die sonstige Gereiztheit mit der sie einander ansprachen oder betrachteten. Anscheinend hatten sie ihre Zwistigkeiten beigelegt, zumindest vorerst. Und als Basil sich umdrehte und zur Treppe ging, war die Sehnsucht in seinen Augen unverkennbar.
Lily, die wissen wollte, was zwischen ihren beiden Freunden vorgefallen war, folgte Fanny zum Salon. Dort brannten alle Lampen, woraus Lily schloss, dass Basil und Fanny bis eben hier gewesen sein mussten.
»Was tust du hier, Fanny?«, erkundigte sie sich, kaum dass sie sich beide gesetzt hatten. »Ich hätte gedacht, dass du an einem Samstagabend beschäftigt bist.«
»Ich kam her, weil ich Gesellschaft brauchte, doch du warst nicht da«, antwortete sie fast vorwurfsvoll.
Lily zögerte, denn sie wollte ungern gestehen, wo sie gewesen war. »Hätten Fleur und Chantel dir denn nicht Gesellschaft leisten können? «
»Sie sind mit Lord Poole ausgegangen, um zu feiern.«
»Feiern?«, wiederholte Lily.
Fanny nickte. »Wie es aussieht, hat Lord Poole aufs Neue seine Zuneigung zu Chantel entdeckt, weshalb er darauf bestand, die gesamte Spielschuld in Höhe von dreißigtausend Pfund bei Mick O'Rourke zu begleichen.«
»Aber das ist ja wunderbar! «, rief Lily aus. »Das heißt, ihnen droht kein Gefängnis mehr. «
»Ja«, bestätigte Fanny düster, »nur will Mick nicht akzeptieren, dass ich ihn nicht heiraten möchte. Er kam heute Nachmittag zu mir nach Hause und bot mir sein gesamtes Vermögen, wenn ich seine Frau werde. Er war recht unglücklich, als ich ablehnte. «
Unwillkürlich beugte Lily sich in ihrem Sessel vor. » Hat er dich wieder tätlich angegriffen? «
»Nein. Heute benahm er sich wie der perfekte Gentleman.«
Lily beäugte ihre Freundin genauer. Entweder waren Fannys Blutergüsse verheilt, oder sie verbarg sie kunstvoll mittels Kosmetika. Auf jeden Fall wirkte sie unversehrt.
»Aber ... ?«, forderte Lily sie auf, fortzufahren.
»Aber Mick ist für sich genommen schon eine Plage. Er wollte mein Haus nicht verlassen, so dass ich genötigt war, hier Zuflucht zu suchen. Dabei sollte ich heute Abend einen preußischen Botschafter empfangen. Mick kostet mich also einen hübschen Batzen Geld, kann ich dir sagen. Wenn er so weitermacht, ruiniert er mir das Geschäft, was zweifellos seine Absicht ist. «
Lily überlegte. »Er will dich zwingen, ihn zu heiraten?«
»Ich vermute, er würde es nicht so ausdrücken«, seufzte Fanny. »Ich mag ihn eigentlich, doch ich will ihn nicht heiraten. Und er ist ein erbärmlicher Gönner - viel zu besitzergreifend.« Auf einmal kräuselte sich Fannys Stirn. »Was ist mit dir, Lily? Mir wurde gesagt, du verbringst die Nacht in Lord Danvers' Haus bei deinen Schwestern. Du wirst dir somit vorstellen können, wie überrascht ich war, dich in die Pension schleichen zu sehen.«
»Ich habe mich nirgends hingeschlichen«, entgegnete Lily. »Ich sah lediglich keinen Grund, Aufhebens von meiner Rückkehr zu machen.«
»Du warst mit
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