Sanfte Eroberung
Ablehnung hingegen war vollkommen unerwartet gekommen. Weibliche Gleichgültigkeit war Heath bisher fremd. Kühne Verführung und hartnäckiges Nachstellen waren ihm weit geläufiger.
Sein offenkundiges Desinteresse an der Ehe hatte die Damen nie davon abhalten können, sich in ihn zu verlieben. Vielmehr stellten sie ihm in Scharen nach, was größtenteils seinem Talent geschuldet sein durfte, ihre Sehnsüchte zu befriedigen ...
Seine Gedanken wurden naturgemäß unterbrochen, sobald er durch eine der hinteren Flügelglastüren in den Ballsaal trat. Und beinahe sofort rief eine weibliche Stimme seinen Namen.
Zu Heaths Überraschung war es Fanny Irwin, die auf ihn zukam, als hätte sie schon auf ihn gewartet.
Sie wirkte alles andere als froh. »My Lord Claybourne«, begann sie leise und eindringlich, »wären Sie bitte so freundlich, mir einen Moment Ihrer Zeit zu gewähren? «
»Selbstverständlich, Miss Irwin ... «, antwortete er, bevor sie ihm ins Wort fiel.
»Unter vier Augen, My Lord, wenn Sie gestatten.«
Obgleich ihre Bitte ihn wunderte, hatte Heath nichts dagegen, ihr hinter ein paar große Grünpflanzen zu folgen, die sie vom Rest des Saals abschirmten. Von Marcus wusste er, dass Fanny und die Loring-Schwestern ihren Kindertagen in Hampshire direkte Nachbarn gewesen und seither enge Freundinnen waren. Ihm war überdies bekannt, dass Fanny einst eine respektable junge Dame gewesen war, die mit sechzehn Jahren ihr Zuhause verlassen hatte, um eine der berühmtesten Kurtisanen Londons zu werden. Ihre Erfolge standen der sagenumwobensten Freudendame von allen, Harriet Wilson, in nichts nach. Heath hatte Fannys Dienste noch nie in Anspruch genommen, sie aber bei zahlreichen Anlässen gesehen.
Die schwarzhaarige, beachtlich gebaute Fanny war witzig, wunderschön, anregend, aufmerksam und angeblich eine Expertin darin, ihre Liebhaber im Bett zufriedenzustellen, kurz: die ideale Mätresse.
Momentan war von ihrem verführerischen Charme allerdings nichts zu merken. Stattdessen sah sie Heath sehr besorgt an.
»Ich sah, wie Sie Lily aus dem Ballsaal folgten, My Lord - und leugnen Sie nicht! «
Stirnrunzelnd überlegte er, was er entgegnen sollte. »Nun gut, ich leugne nicht, Miss Irwin. Aber ist das denn ein Verbrechen? «
»Es wäre eines, sollten Sie Lily verführt haben.«
»Meine Begegnung mit Miss Loring geht nur mich und sie etwas an, doch wenn Sie es unbedingt wissen wollen: Ich habe sie nicht verführt.«
»Nein?«, fragte Fanny säuerlich. »Es ist jedoch offensichtlich, dass Sie Ihre Verführungskünste bei irg endjemandem eingesetzt haben. Ihr Haar ist zerzaust und voller Stroh, als hätten Sie sich soeben mit einer Milchmagd vergnügt. «
Sie zupfte ihm die verräterischen Halme aus dem Haar. »Gewöhnlich würde ich nicht einmal davon träumen, mich in Ihre Eroberungen einzumischen, Lord Claybourne, aber ich bin Lilys Freundin, und ich werde nicht stillschweigend zusehen, wie Sie ihre Unschuld zum Spaß ausnutzen.«
Heath atmete tief durch, um seinen Ärger zu bändigen. »Sosehr ich Ihre Sorge um Ihre Freundin achte, Miss Irwin, möchte ich Ihnen versichern, dass sie gänzlich unbegründet ist.«
»Und warum sollte ich Ihren Beteuerungen glauben? «
Es gefiel ihm nicht, dass sie seinem Wort misstraute. Andererseits schien Fanny wirklich besorgt, also sah Heath es ihr nach.
»Was würden Sie sagen, wenn ich Ihnen erzähle, dass ich Danvers versprach, im nächsten Monat ein Auge auf Miss Loring zu haben, solange er auf Hochzeitsreise ist? «
Das war nicht gelogen, denn als Drew und Heath auf das Ende von Marcus' Junggesellenleben anstießen, hatte Marcus ihnen beiden aufgetragen, sich der beiden jüngeren Schwestern anzunehmen, während er fort war.
Fanny jedoch beruhigte dies anscheinend nicht. »Und so haben Sie ein Auge auf Lily?«, erwiderte sie ein wenig sarkastisch. »Indem Sie sich allein mit ihr im Stall treffen?«
»Wir wurden nicht gesehen, falls Ihnen das ein Trost ist.«
»Es könnte Sie aber durchaus jemand entdeckt haben. Bei Ihrem Ruf genügt es, dass Sie allein mit ihr waren, um Lilys Reputation erheblichen Schaden zuzufügen. Angesichts ihrer familiären Vergangenheit ist sie angreifbarer für unschönen Klatsch als andere junge Damen der Gesellschaft. Sie und ihre Schwestern haben sich endlich von den früheren Skandalen erholt, nachdem Lord Danvers sich solche Mühe gab, sie wieder in die feinen Kreise einzuführen. Nach wie vor ist ihre Stellung kaum gefestigt, und
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