Sanfte Eroberung
«
Heath war ihre Verwundbarkeit nicht entgangen, und sie hatte ihn seltsam berührt, ein Gefühl in ihm geweckt, das ihm vollends fremd war. Mitleid war es nicht, eher eine ungekannte Zärtlichkeit, gepaart mit einer Lust, wie er sie seit langem nicht mehr empfunden hatte.
Fanny unterbrach seine Gedanken. »Ich könnte mir vorstellen, dass Lily eher Ihrem Geschmack entspricht als die herkömmliche Debütantin, möglicherweise sogar genug, dass Sie in Betracht ziehen, um sie zu werben. Doch ist es Ihnen wirklich ernst, My Lord?«
»Eine Frau wie sie könnte mich zum Heiraten verleiten«, antwortete er versonnen.
Fanny musterte ihn sorgenvoll. »Mag sein. Trotzdem bitte ich Sie, denken Sie nicht einmal daran, ihr den Hof zu machen, sofern Sie nicht willens sind, es mit allen Konsequenzen zu tun! «
»Das kann ich Ihnen versprechen«, erwiderte Heath entschlossen.
Zunächst zögerte Fanny noch. »Ich danke Ihnen, My Lord. Und ich hoffe, Sie vergeben mir meine unerwünschte Einmischung, die einzig meiner Zuneigung zu Lily entspringt. Ich möchte nicht, dass ihr wehgetan wird. «
»Ihre Sorge nehme ich zur Kenntnis, Miss Irwin«, erwiderte Heath bemüht ruhig. »Aber Sie können beruhigt sein. Es gehört nicht zu meinen Gepflogenheiten, Damen zu verletzen. «
Ein Lächeln huschte über ihre Lippen. »Nicht absichtlich, ich weiß. Immerhin eilt Ihnen der Ruf voraus, ihnen vor allem Freuden zu bereiten. Aber unabsichtlich? Bitte ... geben Sie auf Lily acht, My Lord! «
»Das werde ich.«
Fanny vollführte einen vornehmen Knicks und ließ ihn stehen.
Auch Heath trat hinter den Palmen hervor und begab sich an den Rand des Ballsaals, von wo aus er gedankenverloren den Tanzenden zuschaute. Der Danvers-Hochzeitsball war das gesellschaftliche Ereignis schlechthin, und die vielen parfümierten Gäste sowie die Kerzen, die in den zahlreichen Kronleuchtern brannten, machten die Wärme im Saal geradezu erdrückend. Doch alle amüsierten sich bestens.
Heath hingegen achtete kaum auf den Lärm und die Fröhlichkeit, denn er war in Gedanken noch bei dem Gespräch über seine Absichten.
War es ihm tatsächlich ernst damit, um Lily Loring zu werben?
Fannys düstere Prophezeiungen fochten ihn nicht weiter an. Immerhin hatte er bisher jede Dame gewinnen können, die er wollte. Und er wollte eindeutig Lily. Hatte er sich erst in den Kopf gesetzt, sie zu erobern, würde es ihm auch gelingen.
Natürlich würde es bedeuten, dass er sie heiraten musste. Sie zu verführen, kam überhaupt nicht infrage. Das erlaubte sein Ehrgefühl nicht, und außerdem würde Marcus ihm die Hölle heiß machen.
Vor Marcus' Verlobung hatte Heath nie näher über die Ehe nachgedacht, es sogar gemieden, einen Gedanken daran zu verschwenden. Allen Bemühungen eifriger Mamas und ihrer raffgierigen jungen Lieblinge war er geschickt aus dem Weg gegangen.
Er mochte die Frauen sehr, nur wollte er an keine bestimmte von ihnen gebunden sein, bis dass der Tod sie schied.
Aber vielleicht war es an der Zeit, dass er die Ehe für sich in Betracht zog. Irgendwann musste er sich so oder so binden und einen Erben zeugen, der seinen illustren Titel übernahm. Genau wie Marcus.
Dass Marcus der Erste wäre, der den Sprung ins kalte Wasser wagte, hatte Heath nicht erwartet. Bevor er den Grafentitel und mit ihm die Vormundschaft für die drei verarmten Loring-Schwestern geerbt hatte, hatte Marcus keinerlei Neigung gezeigt, sein kostbares Junggesellenleben aufzugeben. Anfangs hatte er sogar vorgehabt, sich seiner Mündel zu entledigen, indem er sie an passende Verehrer verheiratete, wogegen alle drei Schwestern heftig protestierten. Dann aber hatte ihn Arabella, die Älteste, vom ersten Moment an verzaubert. Er schloss eine Wette mit ihr ab, dass er sie dazu bringen könnte, seinen Antrag anzunehmen. Und Arabella war grimmig entschlossen gewesen, ihn die Wette verlieren zu lassen. Nach mehreren bewegten Wochen waren beide hoffnungslos ineinander verliebt.
Heath freute sich aufrichtig für seinen Freund, war es doch nicht selbstverständlich, dass ein Adliger Liebe und Glück in der Ehe fand. In ihren Kreisen waren Vernunftehen die Regel, die vornehmlich dem Zweck dienten, die passenden Vermögen und Familien zusammenzuführen.
Das hatten Heaths Eltern getan und Generationen vor ihnen ebenfalls.
Er selbst jedoch hatte es nicht vor. Die Ehe seiner Eltern war alles andere als glücklich gewesen, weil sie weder im Wesen noch in ihren Interessen harmonierten.
Deshalb
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