Sanfte Eroberung
Sie könnten Lily leicht ruinieren.«
»Ich beabsichtige gewiss nicht, sie zu ruinieren.«
»Worin genau bestehen dann Ihre Absichten in Bezug auf Lily, My Lord? «
Diese Frage war impertinent, um es milde auszudrücken. Und Heath hatte keine Antwort parat, weil er sich selbst nicht sicher war, welche Absichten er bezüglich Lily hegte. Vor Stunden noch hätte er gesagt, gar keine, aber nun, da er sie geküsst und in den Armen gehalten hatte ...
Gestehe, Mann, du willst die nicht aufgeben! Ein beunruhigender Gedanke.
Als er nur schweigend auf die Topfpalmen blickte, fuhr Fanny fort: »Sie dürfen sie nicht verführen, My Lord! Es würde jede Hoffnung für Lily zunichtemachen. Sollten Sie sie kompromittieren, kann nur noch eine Heirat sie vor der Schande bewahren. Und ich kenne Lily recht gut. Sie würde niemals einer Ehe mit Ihnen zustimmen - oder mit einem anderen.«
Erst jetzt sah er Fanny wieder an. »Und wenn ich sage, dass meine Absichten vollkommen ehrenhaft sind? «
Fanny war eindeutig verwundert. » Ehrenhaft? Sie? Sie sind der übelste Herzensbrecher Englands, Lord Claybourne, und haben nicht das geringste Interesse, sich zu vermählen. Oder irre ich mich? «
Ihr Staunen brachte Heath beinahe zum Lachen. Es stimmte, dass er in diesem Ruf stand. Doch konnte man nicht ihm allein die Schuld geben, wenn Damen sich in ihn verliebten, während sein Herz unbeteiligt blieb. Zwar mochte er das schöne Geschlecht und genoss die Aufmerksamkeit, aber ihm war noch keine Frau begegnet, die ihn zähmen und veranlassen konnte, willentlich seine kostbare Freiheit gegen den Ehestand einzutauschen.
Bisher war er eben auch noch nie einer Frau wie Lily begegnet.
»Ich möchte nicht andeuten, dass ich noch heute um sie anhalten werden«, antwortete Heath nachdenklich, »aber sollte ich ihr offiziell den Hof machen, würde das wohl kaum Klatsch oder gar einen Skandal verursachen.«
»Vermutlich nicht. Doch Sie können nicht ernsthaft erwägen, Lily zu heiraten. «
»Sie wäre mir zweifellos eine gute Marquise.«
Fanny lachte unsicher. »Ohne Frage besitzt sie den passenden Rang und verfügt über die entsprechende Bildung, nur übersehen Sie ein wesentliches Detail. Lily würde Sie niemals nahe genug an sich heranlassen, dass Sie ihr den Hof machen könnten. Vergessen wir nicht, wie sie zu Männern und der Ehe steht. «
Bei dem Gedanken an Lilys inbrünstige Erklärung, sie wäre der Ehe gegenüber generell abgeneigt, musste Heath schmunzeln. »Ihre Haltung ist fürwahr recht ablehnend, wie ich im Laufe unserer kurzen Bekanntschaft feststellen konnte.«
»Das ist sie.« Fanny schüttelte den Kopf. »Nein, My Lord, vergessen Sie Ihr absurdes Ansinnen besser gleich! «, beharrte sie und musterte ihn. » Ich glaube kaum, dass Sie deshalb in tiefe Trauer verfallen, schließlich haben Sie die freie Wahl unter unzähligen verliebte n jungen Damen. «
Sein Mundwinkel zuckte. »Aber leider interessiert mich keine von ihnen.«
»Ich hoffe, Sie haben nicht vor, Lily nur deshalb zu umwerben, weil Sie die Herausforderung lieben. «
Heath musste zugeben, dass ihn die Herausforderung sehr wohl reizte. Von den drei Freunden war Heath stets der abenteuerlustigste und wagemutigste gewesen, allzeit bereit, sich ungekannten Gefahren zu stellen. Seine Vorliebe für Nervenkitzel und Aufregung hatte ihnen allen schon mehr Eskapaden und Schwierigkeiten eingehandelt, als er zählen konnte. Die Herausforderung aber, die Lily darstellte, war nicht das, was ihn am meisten an ihr faszinierte.
»Nur teils« gestand er ehrlich. »Mein Interesse an Miss Loring gilt sehr viel mehr ihrer Einzigartigkeit. Ich finde sie erfrischend. «
»Ja, mir ist begreiflich, warum eine unkonventionelle Dame wie Lily Sie anspricht«, gab Fanny zurück, nachdem sie kurz überlegt hatte. »Sie kennt keine Hemmungen, die Nase ob der gesellschaftlichen Beschränkungen zu rümpfen, welche jungen Damen guter Herkunft auferlegt sind. Oft benimmt sie sich beinahe wie ein Mann, besonders wenn man ihre Freude an sportlichen Aktivitäten wie Reiten und Bogenschießen miteinbezieht. Von den drei Schwestern dürfte Lily zweifellos die leidenschaftlichste und ausdrucksstärkste sein. Dennoch ... «, Fanny senkte ihre Stimme, »sie ist auch die sensibelste. Lily wurde schrecklich verletzt, als ihre Mutter sie verließ, um ihrem Herzen zu folgen, ganz zu schweigen von dem Skandal, den dies nach sich zog. Und Lilys Argwohn gegenüber Männern wurzelt tief in ihrer Kindheit.
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