Sanfte Eroberung
hatte Heath sich geschworen, nur eine Frau zu heiraten, die wesentliche Eigenschaften mit ihm teilte. Wenn er schon heiraten musste, dann nur eine junge Dame, die es an Esprit, Leidenschaft und Abenteuerlust mit ihm aufnehmen konnte.
Lily Loring könnte die Richtige sein.
Selbst ihr trotziges Beharren auf Unabhängigkeit sprach ihn an, und er konnte es sehr gut verstehen, teilte er dieses Bedürfnis doch mit ihr.
Überdies war Lily Loring auch in manch anderer Hinsicht eine geeignete Kandidatin. Da waren zum einen ihre Herkunft und Erziehung. Zum anderen und noch wichtiger aber war, dass sie ihn wohl selten langweilen dürfte.
Nicht zu vergessen, dass er sie äußerst begehrenswert fand. Ihre dunklen Augen, ihr wohlgerundeter Mund, ihre vollen Brüste und ihr seidiges Haar, das rostbraun und golden schimmerte, verliehen ihr ein bezauberndes Aussehen. Und noch etwas an ihr betörte ihn, etwas, das weniger greifbar war: ihre pulsierende Lebendigkeit. Er spürte ein inneres Feuer in ihr, das jenes in ihm entfachte.
Darüber hinaus war sie mitfühlend. Wie viele Damen ihres Standes würden sich um eine Stallkatze und deren Junge scheren?
Ja, Lily war geeignet und allemal faszinierend genug, um ihr den Hof zu machen. Ohne Frage müsste er alles aufbieten, was er an Charme und Fertigkeiten besaß, wollte er ihre Scheu besiegen. Sie hatte Angst, sich mit irgendeinem Mann zu vermählen, weil sie keinem traute, dass er sie nicht verletzen würde.
Immerhin kam ihm zugute, dass sie ganz und gar nicht kalt war. Ihre Sinnlichkeit musste lediglich geweckt werden. Das hatte Heath deutlich in ihren unschuldigen Küssen gefühlt. Lily hatte auf seine Umarmung reagiert, als hätte sie noch nie zuvor begehrt.
Der erotische Kitzel zwischen ihnen hatte sie erschreckt, wie ihre geröteten Wangen und glänzenden Augen ihm verrieten. Und ihn selbst hatte ein wenig überrascht, wie vehement seine eigene Reaktion ausgefallen war.
Er entsann sich nicht, jemals eine solche Begierde empfunden zu haben. Lily Loring stellte eine veritable Bedrohung für seine Ausgeglichenheit dar.
Bei diesem Gedanken stieß Heath einen leisen Fluch aus. Allein die Erinnerung an das leidenschaftliche Zwischenspiel auf dem Heuboden reichte aus, um ihn zu erregen, und er musste sich zwangsläufig von den Ballgästen abwenden, um die Folgen zu verbergen.
Dennoch bedauerte er die Wirkung nicht, die Lily auf ihn ausübte. Es war sehr lange her, seit er den Rausch der Vorfreude gefühlt hatte, der ihn nun durchflutete. Und noch länger war es her, seit sein Puls sich zuletzt bei der bloßen Vorstellung beschleunigt hatte, eine Dame näher kennenzulernen.
In dem Moment, in dem Heath auf die Terrasse hinaustrat, damit die kühlere Nachtluft seine Lust zähmte, war seine Entscheidung gefällt: Er würde die bezaubernde Lily umwerben.
Und wenn sie ihn am Ende wirklich heiratete? Nun, diese Aussicht schien ihm gar nicht mehr so beängstigend.
Nein, erstaunlicherweise flößte sie ihm überhaupt keine Furcht ein.
»Vielleicht sollte ich noch kurz hineingehen«, sagte Tess Blanchard am nächsten Morgen, als sie ihr Gig vor Danvers Hall zum Stehen brachte.
»Nein«, entgegnete Lily, »du bist schon viel zu spät für deine Verabredung, und ich bin sicher, dass meine Schwester wohlauf ist.«
Mit einem bemühten Lächeln stieg Lily aus der kleinen Kutsche. Sie war unsagbar froh, zu Hause zu sein, und das aus mehreren Gründen. Der erste war, dass sie vom Champagner gestern Abend Kopfschmerzen hatte. Der zweite, dass sie ein furchtbar schlechtes Gewissen quälte, weil sie sich die letzte Nacht schlaflos im Bett gewälzt hatte, während sie unablässig an den Marquess of Claybourne dachte, der sie geküsst und dessen atemberaubende Küsse sie auf das Schamloseste erwidert hatte.
Und der dritte Grund schließlich war die schreckliche Nachricht heute Morgen, dass ihre Schwester Roslyn und ihre Freundin Winifred auf dem Heimweg vom Ball von einem Straßenräuber überfallen worden waren.
Roslyn war nicht wie geplant zu Tess gekommen und hatte morgens den kurzen Brief geschickt, der ihre Abwesenheit erklärte. Lily und Tess waren sofort nach Freemantle Park gefahren, wo sie erfuhren, dass Roslyn bereits nach Danvers Hall zurückgekehrt war. Winifred hatte ihnen alles ausführlich geschildert und behauptet, dass Roslyn keinen bleibenden Schaden davongetragen hatte, aber Lily wollte lieber selbst nach ihrer Schwester sehen.
Ihren Koffer holte sie selbst aus dem
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