Sanfte Eroberung
Kreisen ihre erwarteten Benimmformen zu verweigern.«
»Und ich gestehe, dass Rebellen schon immer meiner Bewunderung sicher waren«, entgegnete er in einem Tonfall, der unverkennbar widerspiegelte, dass er amüsiert war. »Sie unterscheiden sich von Ihren Schwestern, habe ich Recht?«
Misstrauisch beäugte sie Claybourne, konnte jedoch nicht einschätzen, ob er schmeichelnd oder vorwurfsvollsprach.
Nicht dass sie sein Urteil geschert hätte. Ebenso wenig kümmerte es sie, ob sie im Vergleich zu ihren Schwestern gut oder schlecht abschnitt. Sowohl Arabella als auch Roslyn waren beachtliche Schönheiten, groß und elegant mit hellem Haar, cremefarbenem Teint.
Lily konnte weder mit deren Größe noch ihrer aristokratischen Haltung aufwarten, war überdies dunkelhaarig mit braunen Augen und einer rosigen Gesichtsfarbe, weshalb sie inmitten ihrer blonden, blauäugigen Verwandtschaft wie ein Wechselbalg erschien. Noch dazu waren ihre Schwestern der Inbegriff an Grazie und damenhafter Vornehmheit, wohingegen Lily ihre tiefe Abneigung gegen die absurd steifen Regeln der herrschenden Elite häufiger zum Ausdruck brachte und sich damit regelmäßig Schwierigkeiten einhandelte.
Dennoch war sie nicht gewillt, sich bei seiner Lordschaft für ihre subversiven Neigungen zu entschuldigen. Vielmehr galt für sie: je weniger Konversation, desto besser.
Bedauerlicherweise wollte oder konnte er ihren Wink nicht verstehen und schweigen. »Hat Ihnen die Trauung heute Morgen gefallen, Miss Loring?«
Dieses Thema war ein äußerst wunder Punkt bei Lily, auch wenn es ihr gelang, ihren Missmut nicht zu zeigen. »Arabella war eine wunderschöne Braut«, antwortete sie vorsichtig.
»Aber Sie stimmen der Heirat zwischen Ihrer Schwester und meinem Freund nicht zu. «
Stirnrunzelnd blickte Lily sich im Ballsaal nach dem Brautpaar um und entdeckte Arabella und Marcus, die lachend Walzer tanzten. »Ich fürchte, sie begeht mit dieser überstürzten Heirat einen Fehler. Braut und Bräutigam kennen sich kaum zwei Monate.«
»Und doch bekunden beide, über die Maßen ineinander verliebt zu sein.«
»Ja, ich weiß«, bestätigte Lily finster. Angesichts der zärtlichen Blicke, die Belle und Marcus wechselten, musste sie zugeben, dass sie fürwahr sehr verliebt wirkten. »Trotzdem mache ich mir Sorgen, dass es nicht von Dauer sein könnte. «
Claybourne lächelte. »Sie klingen ganz so wie mein Freund Arden.«
Wie Lily bereits wusste, war Drew Moncrief, der Duke of Arden, Marcus' anderer enger Freund. Die drei Adligen - Danvers, Arden und Claybourne waren seit ihren Schultagen befreundet. »War seine Durchlaucht ebenfalls gegen die Heirat?«
»Ja - aus denselben Gründen wie Sie. «
»Wie steht es mit Ihnen, My Lord? Was halten Sie von der Verbindung?«
Claybournes Augen funkelten amüsiert. »Bis auf weiteres enthalte ich mich eines Urteils, bin jedoch geneigt, die Heirat zu bejahen. Ich würde sagen, das Brautpaar sieht bemerkenswert glücklich aus, denken Sie nicht?«
»Ja, und ich hoffe inständig, sie bleiben es. Ich möchte nicht, dass Arabella wehgetan wird. «
Hier merkte seine Lordschaft auf. »Fürchten Sie ernstlich, Marcus könnte Ihrer Schwester wehtun?«
»Durchaus, denn Adlige neigen gemeinhin dazu«, murmelte Lily vor sich hin, doch offenbar verstand er sie.
»Nicht alle Adligen sind Schurken, Miss Loring.«
»Nein, der Fairness halber sollte man einräumen, dass es auch Ausnahmen gibt,
Sie betrachtete den Marquess prüfend. Er war ein kräftig gebauter Mann, breitschultrig und muskulös. Und er war so groß, dass Lilys Kopf kaum bis an seine Schulter reichte.
Grundsätzlich misstraute sie starken Männern und beurteilte sie ausschließlich danach, wie sie Frauen behandelten: eine Gewohnheit aus Kindertagen. Doch so seltsam es auch anmutete, weckte Lord Claybourne kein Misstrauen in ihr. Zumindest nicht aus den üblichen Gründen, nämlich weil er größer und stärker war als sie.
Er sah sogar sehr stark aus, und dennoch kam er ihr nicht wie ein Mann vor, der seine Kraft gegen Schwächere richtete.
Vielleicht lag es an seinem offenen Lächeln ... oder an den Geschichten, die sie über ihn gehört hatte. Der Marquess of Claybourne wurde von vielen Frauen angebetet.
Und er stand in dem Ruf, die Bewunderung der Damen zu erwidern, wenn auch nicht hinreichend, um einer seiner zahlreichen Eroberungen einen Antrag zu machen. Gerade deshalb verwunderte Lily, dass er sich nicht gegen die unerwartete Heirat seines
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