Sanfter Mond über Usambara
unglücklich, weil er seiner Herrin einen solchen Schrecken versetzt hatte.
» Vielleicht Schammi hat den Namen falsch gehört « , sagte er leise. » Daktari hat ihn zu Schwester gesagt– aber Schammi hat viel Schmerzen und Brausen in den Ohren wie von Meer. «
Charlotte schwieg und starrte auf den Eingang zu den Krankenzimmern und Operationsräumen, in dem so viele Leute einfach verschwanden. Wieso stand sie hier herum?
» Zeig mir, wo du ihn gesehen hast, Schammi! «
In diesem Moment schob sich eine weiß gekleidete, zierliche Krankenschwester durch die hereinströmenden Menschen, ihr suchender Blick traf Charlotte und blieb mit einem seltsam abschätzigen, unwilligen Ausdruck an ihr hängen.
» Sie haben nach Dr. Johanssen gefragt? «
Ihre Worte klangen mehr als abweisend. Charlotte konnte sich diese kühle Anrede nicht erklären, doch sie steigerte ihre Angst.
» Allerdings. Ich möchte zu ihm. «
» Das ist nicht möglich. «
» Weshalb nicht? «
Die Krankenschwester wandte den Blick nicht ab. Sie hatte ein schmales, kantiges Gesicht und übergroße braune Augen. Feindselige Augen. Charlotte schwieg verwirrt. Weshalb wollte man ihr keine Auskunft geben? Sie nicht zu ihrem Mann lassen? Oder war er tatsächlich schon tot?
» Es darf niemand zu ihm. «
» Ich bin seine Frau! «
Das Gesicht der jungen Krankenschwester wurde hart, ihr Mund verzog sich zu einem hässlichen Strich.
» Er hat keine Frau. «
Jetzt hatte Charlotte genug. » Ich will sofort einen der Ärzte sprechen! « , verlangte sie mit forscher Stimme.
» Es hat niemand Zeit. «
» Dann werde ich meinen Mann eben allein finden! «
Die Schwester wich zurück, als Charlotte zornig an ihr vorbeistürmte, dann jedoch lief sie hinter ihr her, überholte sie und stellte sich ihr in den Weg.
» Sie können nicht zu ihm! « , rief sie mit schriller Stimme. » Er will niemanden sehen. Auch keine Frau. Er hat keine Frau. Gehen Sie. Er will Sie nicht sehen… «
» Geben Sie den Weg frei! Ich will zu meinem Mann! Sofort! «
Jetzt endlich erschien einer der Ärzte, auch er ein Inder, ein schlanker Mann, dem man die Erschöpfung eines langen Arbeitstages ansah.
» Shira! Was ist los? «
Die Angeredete verstummte, wich jedoch nicht von der Stelle.
» Ich habe ihr gesagt, dass Dr. Johanssen niemanden sehen möchte. «
» Es ist gut, Shira « , entgegnete der Arzt müde. » Geh hinüber zu Dr. Colbert, er braucht Hilfe bei einer Wundbehandlung. Nun mach schon. «
Einen Augenblick blieb die Schwester unschlüssig stehen, dann bedachte sie Charlotte mit einem hasserfüllten Blick und ging langsam davon.
» Sie sind Frau Johanssen? « , erkundigte sich der Arzt freundlich, dann lächelte er Schammi zu, anscheinend erkannte er ihn wieder. » Was macht der Rücken? Eitert? Wir sehen gleich mal nach, du wirst dich allerdings ein wenig gedulden müssen, es sind noch andere Patienten da… «
Ohne Charlottes Antwort abzuwarten, führte er sie durch den Flur und erzählte dabei, dass Dr. Johanssen auf dem Weg der Besserung sei, sie solle allerdings nicht erschrecken, man sehe ihm die Strapazen noch an.
» Es… es geht ihm also besser? « , stammelte sie.
» Den Umständen entsprechend, wie man so schön sagt. Das hat er Ihnen doch geschrieben, oder nicht? «
Eine unendlich schwere Last fiel von ihr ab. Er lebte, er war auf dem Weg der Genesung. Alles andere war jetzt erst einmal unwichtig. Er hatte ihr geschrieben– gewiss war sein Brief noch unterwegs, denn Post hatte sie keine von ihm erhalten.
Im Flur lagerten zahlreiche Menschen, aßen und tranken, Frauen stillten ihre Säuglinge, andere hatten sich zum Schlafen niedergelegt. Es waren Besucher aus entfernten Siedlungen, die ihre kranken Angehörigen nicht verlassen wollten und ihnen täglich das Essen brachten, manche kauften auch Medikamente, die die Klinik nicht beschaffen konnte. Der indische Arzt wurde immer wieder angesprochen, hörte sich geduldig die Klagen und Bitten an, sprach ein paar aufmunternde Worte, manchmal scherzte er auch und löste sich dann rasch, um weiterzugehen.
» Sie harren hier wochenlang aus « , erklärte er Charlotte. » Schlafen auf dem Boden und wachen bei ihren Kranken oder tragen die Toten fort, um sie zu begraben. Aber es gibt auch viele Patienten, um die sich niemand kümmert, manchmal kennen wir nicht einmal ihre Namen… «
Der Krankensaal für Männer war ein lang gezogener Raum mit hoch angesetzten Fenstern, so dass man von außen nicht
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