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Sanfter Mond über Usambara

Sanfter Mond über Usambara

Titel: Sanfter Mond über Usambara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Bach
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hineinsehen konnte. Die Betten standen dicht nebeneinander in zwei langen Reihen, dazwischen saßen Angehörige und Besucher auf dem Boden, auch der Mittelgang, der eigentlich frei bleiben sollte, war mit allerlei Bündeln und Taschen zugestellt, die den Kranken oder ihren Familien gehörten. Trotz der hohen Decke war die Luft entsetzlich– eine stickige Mischung aus menschlichen Ausdünstungen, Essensgerüchen, Urin, Parfüm und dem ekelerregenden Geruch eiternder Wunden. Jetzt begriff Charlotte, weshalb George sie damals nicht in die Klinik auf Sansibar hatte mitnehmen wollen– er hatte ihr dieses Elend ersparen wollen.
    Wie betäubt folgte sie dem Arzt durch den Mittelgang, stolperte über ein Bündel und musste sich an einem eisernen Bettpfosten festhalten. Der junge Mann auf dem Lager bewegte sich nicht, sein nackter Körper sah auf dem weißen Betttuch aus wie ein mit schwarzer Haut überzogenes Skelett, der Kopf war mit Binden umwickelt, die nur die Augen frei ließen.
    » Viel schlimm hier « , murmelte Schammi, der hinter ihr ging. » Aber daktari gut arbeiten– viel Kranke wieder gesund. «
    Sie nickte und versuchte zu lächeln, während ihre Augen von Bett zu Bett wanderten und nach George Ausschau hielten. Es war nicht gerade leise in diesem Krankensaal, immer wieder ertönten Schmerzenslaute und Stöhnen, aber einige Kranke kauerten auch mit gekreuzten Beinen auf den Betten und schwatzten mit ihren Angehörigen. Es wurde sogar gelacht, während im Nebenbett ein Kranker reglos auf den Tod wartete.
    » Er ist dort! « , sagte der Arzt und wies auf einen weißen Vorhang im Hintergrund des Saals. » Wir haben ihn ein wenig abgeschirmt. Zum einen, weil er der einzige Weiße ist, zum anderen, weil er sofort anfing, uns ins Handwerk zu pfuschen, sobald es ihm ein wenig besser ging. «
    Er zog den Vorhang ein kleines Stück beiseite und glitt ins Innere des abgegrenzten Raumes, Charlotte hörte ihn hinter den weißen Tüchern leise sprechen, doch Georges Antwort hörte sie nicht.
    » Kommen Sie bitte « , forderte Dr. Kalil sie auf.
    Die Metallringe des Vorhangs rasselten über die Stange, und Charlotte erblickte das weiß lackierte Bett, dahinter eine kahle Wand. George saß mit hochgezogenen Beinen auf seinem Lager, ein Tablett auf den Knien, das er als Schreibunterlage benutzte, in der Hand hielt er einen Bleistift.
    » Charlotte! « , flüsterte er, als habe er Mühe, sie zu erkennen.
    Das mit Papieren bedeckte Tablett glitt herab. Rasch wollte er es auffangen, doch er schwankte und musste sich wieder zurückfallen lassen.
    » Ich habe schon geglaubt, du hättest mich ganz und gar vergessen. So viele Briefe und keine Antwort… Aber nun bist du ja da… «
    Sie näherte sich ihm langsam, setzte sich auf den Bettrand und fasste seine Hände. Wie schmal und knochig sie waren! Sie konnte den Fieberschauer spüren, der ihn jetzt überfiel, und fing unweigerlich an zu schluchzen.
    » Wie… wie kannst du so etwas sagen, George? Ich wusste doch gar nicht, wo du bist… Mein Gott, es war ein unglaublicher Zufall, dass ich dich überhaupt gefunden habe. Schammi hat dich hier gesehen… «
    » Schammi? «
    Er hatte seine Hände aus ihren gelöst und strich ihr sanft über die Wangen, seine Finger waren heiß und zitterten. Wenn er sich auf dem Weg der Besserung befand– wie schlimm musste es vorher um ihn gestanden haben?
    » Du hast hohes Fieber, George… «
    » Sorge dich nicht, mein Schatz « , tröstete er sie. » Ich bin hier in guten Händen– Dr. Kalil ist ein großartiger Arzt… «
    » Ich hätte ein viel besserer Arzt sein können, wenn Sie sich an meine Anweisungen gehalten hätten « , warf der indische Doktor ein. » Leider sind Sie ein äußerst schwieriger Patient. Kaum geht es Ihnen ein bisschen besser, da laufen Sie schon herum und wollen Wunden verbinden oder sogar Operationen durchführen. «
    » Ja, ich bin störrisch « , scherzte George und ließ erschöpft den Kopf zurücksinken. » Ich vertraue keinem meiner Kollegen und mag nicht bemitleidet werden, wenn es mich erwischt hat. «
    Charlotte beugte sich über ihn, berührte sacht seine Schultern und küsste ihn. Seine Lippen waren rau und aufgesprungen, und er erwiderte ihren Kuss nur schwach.
    » Noch ein paar Tage, dann können Sie ihn mitnehmen « , hörte sie Dr. Kalil aufmunternd sagen. » Er nimmt den anderen nur den Platz weg und weiß alles besser. Wir sind froh, wenn wir ihn loswerden. «
    Neigte ein Mensch, der tagtäglich mit

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