Sanfter Mond über Usambara
flüsterte Peter Siegel auf Deutsch. » Schau doch– diese Uhr dort hat zwei Klappen, also auch zwei Vögel– es muss dieselbe sein. Leider geht sie nicht, sonst könnte man diesen Gauner überführen. «
» Der Preis erscheint mir ziemlich hoch « , entgegnete Charlotte, an den Zwerg gewandt.
» Was sind schon zweitausend Rupien für eine gute Tat, Gnädigste? « , fragte dieser durchtrieben. » Sie wollen dem Burschen doch helfen, nicht wahr? Schammi liegt im Gefängnis in Ketten– dafür habe ich höchstpersönlich gesorgt. «
Charlotte fasste Peter Siegel am Arm, der in gerechtem Zorn lospoltern wollte. Es hatte wenig Zweck, sich aufzuregen.
Stattdessen unternahm sie einen neuen Vorstoß.
» Das ist wohl wahr, Sahib Machmet. Nur komme ich von meiner Plantage im Usambara-Gebirge und kenne die Preise an der Küste nicht. Ich denke, ich werde mich mit meinem Freund Kamal Singh darüber beraten, er ist ein erfahrener Geschäftsmann. «
Die erneute Erwähnung von Kamal Singh schien Machmet Gupta zu verunsichern. Wieder einmal zeigte sich, welch großen Einfluss dieser undurchsichtige Inder besaß: Kamal Singh hielt viele Fäden in den Händen.
» Wozu sich beraten? Die Zeit drängt, schon morgen ist Gerichtstag, und wenn der Bursche erst einmal rechtmäßig verurteilt ist… «
» Ich werde den Fernsprecher benutzen, das dauert nicht lange. «
Der Händler knabberte verärgert an den Lippen und funkelte sie aus seinen schmalen, dunklen Augen zornig an.
» Was bieten Sie mir? «
» Fünfzig Rupien– und keinen Peso mehr! «
» Darüber lohnt es sich nicht zu verhandeln. «
» Fünfzig Rupien– aber vorher gehen Sie mit mir zur Polizeistation und ziehen Ihre Anklage zurück. In diesem Fall werde ich meinen guten Freund Kamal Singh mit dieser Lappalie nicht behelligen… «
Diese fünf Worte zeigten die gewünschte Wirkung: Mein guter Freund Kamal Singh. Machmet schnaufte tief durch und ließ die Arme sinken. Noch einmal beäugte er Charlotte abwägend, dann wanderte sein Blick zu Peter Siegel, dessen Kehlkopf sich unter dem spitzen Bart nervös auf- und niederbewegte. Vor dem Laden fing Simba an, wütend zu bellen und am Gitter zu zerren.
» Ich werde verzeihen « , murmelte Machmet Gupta schließlich. » Möge Allah es mir dereinst anrechnen, wenn der Jüngste Tag hereinbricht. Und nun nehmen Sie endlich diesen Hund fort, er ruiniert mir noch das Eisengitter! «
Er rief den schwarzen Jungen herbei und befahl ihm, den Laden zu schließen, dann drehte er höchstselbst den Schlüssel im Vorhängeschloss herum und rüttelte noch einmal an den Gittern, um zu sehen, ob alles gut gesichert war.
Der zuständige Beamte machte Mittagspause, Charlotte und Peter Siegel mussten zusammen mit Machmet Gupta im Flur vor seinem Amtszimmer warten. Sie waren nicht allein, drei Afrikaner saßen bei ihrer Ankunft bereits geduldig auf dem Boden, ein junges, goanesisches Paar lehnte an der Wand, die beiden Stühle waren von zwei Indern besetzt, die den Händler mit einer leichten Verbeugung und undurchsichtigem Lächeln begrüßten. Dennoch waren sie die Ersten, die in die Amtsstube gerufen wurden, man ließ deutsche Landsleute nicht unnötig warten. Machmet Gupta führte eine großartige Komödie auf. Er schilderte die Seelenqualen, die Schammis anstehende Verurteilung in seinem Gemüt ausgelöst hätten, und erklärte, die Anzeige zurückziehen zu wollen, um sein Gewissen nicht mit dem Unglück eines jungen Mannes zu belasten. Der deutsche Beamte zeigte sich wenig beeindruckt.Ein Dieb sei nun einmal ein Dieb und müsse verurteilt werden, wo käme man denn hin, wenn man so einen zuerst einsperre und dann wieder laufen lasse? Die Angelegenheit zog sich, bis Charlotte ungeduldig verkündete, dass Schammi ihr Angestellter sei und sie für den Schaden bezahlt habe.
» Ich hoffe nur, Sie haben sich nicht über den Tisch ziehen lassen, Frau Johanssen « , sagte der Beamte mit einem schrägen Seitenblick auf den Inder. » Aber gut– wenn Sie den Burschen ins Usambara-Gebirge mitnehmen wollen, dann schlagen wir die Sache nieder und fertig. «
Charlotte hatte Mühe, Schammi wiederzuerkennen. Er schwankte, als er aus dem schmalen Eingang in den Gefängnishof trat, ein hochgewachsener, unsagbar magerer junger Bursche, nur mit einer zerrissenen und verdreckten Hose bekleidet, die seine dünnen Waden unbedeckt ließ. Als er den Kopf hob, erkannte sie sein schmales Gesicht und die übergroßen braunen Augen. Eine Narbe, wohl von
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