Sanfter Mond über Usambara
dem Tod umgehen musste, zu einem derart schwarzen Humor? Sie konnte jedenfalls nicht über seine groben Scherze lachen. Ihre düsteren Ahnungen waren nicht grundlos gewesen, das wurde ihr jetzt klar, sie hatte die ganze Zeit über gespürt, dass George in Gefahr war, und sie hatte recht behalten. Selbst wenn er in einigen Tagen genesen sollte, so war sein Leben noch längst nicht gerettet, trug er doch den Keim dieses Fiebers schon lange in sich. Es konnte immer wieder ausbrechen, und irgendwann, wenn sein Körper nicht mehr stark genug war, sich zu wehren, würde es ihn besiegen.
Sie verbrachte den Rest des Tages an seinem Bett und übernachtete mit Schammi und Peter Siegel nun doch in der Missionsstation am Immanuelskap, da man Simba in keinem der Hotels dulden wollte. Am folgenden Tag entschied sie, dass der Missionar zusammen mit Schammi nach Neu-Kronau reisen sollten, sie selbst würde mit George später nachkommen. Simba wich nicht von ihrer Seite, so dass sie die Gastfreundschaft der Missionare auch weiterhin in Anspruch nehmen musste. Sie waren rücksichtsvoll, nahmen sie freundlich in ihrer Mitte auf und vermieden es bei ihren abendlichen Gesprächen, über Peter Siegel zu reden. Die Missionare schienen froh zu sein, dass er unter Charlottes Fürsorge auf der Plantage genas, was weiter mit ihm werden sollte, war entweder noch ungeklärt oder nicht für ihre Ohren bestimmt.
Am Morgen machte sie mit Simba Einkäufe, sorgte für sein Futter und ihren eigenen Magen, dann begab sie sich zur Klinik und band den Hund vor dem Eingang fest. Der hatte inzwischen begriffen, dass er warten musste, bis sie wiederkam, denn er winselte nur kurze Zeit, streckte sich dann aus und legte den Kopf auf die Vorderpfoten. Doch anstatt zu schlafen, behielt er aufmerksam den Eingang des Krankenhauses im Auge, um ja nicht zu verpassen, wenn sein Frauchen wieder herauskam.
Als Charlotte sich den weißen Vorhängen näherte, die Georges Bett vom Rest des Krankensaals abschirmten, schlüpfte die zierliche Inderin heraus, die Dr. Kalil mit Shira angeredet hatte. Sie trug ein Tablett mit kleinen Schälchen darauf und ging eilig und ohne sie anzusehen an ihr vorüber. Am zweiten Tag fand Charlotte ihren Mann ohne Bekleidung auf dem Bett sitzend, er wusch sich und tauchte den Lappen in eine Wasserschüssel, die Shira für ihn hielt. Die Inderin starrte Charlotte mit undurchdringlichem Blick an, während sie George ein sauberes Tuch reichte, dann raffte sie die verschmutzte Wäsche zusammen, nahm die Schüssel und trug alles hinaus.
Georges Körper war so ausgezehrt, dass man seine Rippen sehen konnte, und er beeilte sich, Hemd und Hose anzuziehen. Schämte er sich etwa vor ihr, seiner Frau? Nun– vor der Krankenschwester hatte er sich nicht geschämt.
Auch wenn sie sich dagegen wehrte, verspürte Charlotte, wie ihr dieser Gedanke einen Stich ins Herz versetzte. Die kleine Inderin hatte Zugang zu ihm, wann immer sie es für nötig hielt, durfte mit ihm reden und seinen Körper berühren, wie es zu den Aufgaben einer Pflegerin gehörte. Aber Shira war mehr als eine Pflegerin– es war offensichtlich, dass sie– weshalb auch immer– Besitzansprüche an Dr. George Johanssen stellte. Und noch eines wurde Charlotte klar: Die Briefe, die George in der Klinik an sie geschrieben hatte, waren niemals abgeschickt worden. Dafür konnte nur Shira gesorgt haben.
Auch George musste das inzwischen begriffen haben, doch er sprach nicht darüber. Er erklärte, viel schlafen und gut essen zu wollen, freute sich über die Früchte und leckeren Speisen, die Charlotte ihm mitbrachte, und fragte sie nach Elisabeth und ihrem Leben im Usambara-Gebirge aus.
» Du hast also eine Plantage gekauft? Ich wusste es doch! Schon als wir an der Domäne Kwai vorüberritten, war mir klar, dass es dir in den Fingern juckt… «
» Aber nein, ich habe es nur getan, weil ich einen Ort für Klara, Peter und Sammi suchte… «
Er lachte sie aus und streichelte ihr Haar, hatte Spaß daran, den langen, aufgesteckten Zopf zu lösen, und behauptete, schon sehr neugierig auf Neu-Kronau zu sein. Die Gespräche dauerten nicht lange, meist schlief er recht bald vor Erschöpfung ein. Im Schlaf verschwand alle Heiterkeit aus seinen Zügen, sie wurden hart und zeigten eine tiefe Resignation, die Charlotte erschreckte. Wenn er träumte, quälte er sich und warf sich stöhnend hin und her, doch nur selten erfasste ihn noch ein Fieberschub, die Träume mussten andere Ursachen
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