Sanfter Mond über Usambara
war und später das Amt eines Konsuls in Sansibar bekleidet hatte. Anlässlich eines offiziellen Besuchs in der Klinik für Einheimische war von Rechenberg mit Dr. George Johanssen zusammengetroffen, und es hatte sich herausgestellt, dass der Gouverneur ein begeisterter Leser seiner Bücher und Artikel war. George hatte sich eine Weile mit ihm unterhalten und Charlotte später anerkennend berichtet, von Rechenberg beherrsche nicht nur fließend Suaheli, sondern auch Arabisch und Gujarati, die Sprache vieler Inder. Diesem halbstündigen Gespräch verdankten sie beide die Einladung zu dem heutigen Empfang im Gouverneurspalast.
Die Askari-Truppe löste sich auf. Man würde den Geburtstag der großen Kaiserin Auguste Viktoria später mit Wettbewerben in allen möglichen Disziplinen begehen, außerdem gäbe es Sonderzuteilungen an Schnaps und Lebensmitteln. Die Feiern zu den Geburtstagen des deutschen Kaiserpaares am siebenundzwanzigsten Januar und zweiundzwanzigsten August erstreckten sich über die gesamte Kolonie, sie wurden von den Deutschen eifrig befördert und von den Schwarzen bereitwillig angenommen.
Die geladenen Gäste wurden nun in den Festsaal im Erdgeschoss gebeten, wo Diener alkoholische Getränke und kleine Leckereien auf silbernen Tabletts anboten. Charlotte zog es wenig dorthin, denn schon aus der Entfernung war zu erkennen, dass die Sitzplätze an den kleinen Tischen vor allem für die Damen und Angehörigen der höheren Ränge reserviert waren, während sich die anderen mit Stehplätzen begnügen mussten.
» Ich bin froh, wenn ich wieder draußen bin « , raunte Charlotte ihrem Mann zu. » Ich möchte bald wieder zu Hause sein. Hoffentlich stellt Elisabeth keine Dummheiten an– sie hat schulfrei und wird sich langweilen. «
» Sie hat doch ihre Freundinnen. «
» Das ist es ja eben. Sie wird irgendwohin laufen, und ich weiß nicht, wo sie steckt… «
» Jetzt komm, mein Schatz « , drängte George und schob sie weiter in den Saal hinein. » Lass uns etwas zu essen nehmen, sonst schnappt man uns noch all die leckeren Sachen weg. Ich habe Kaviar gesehen, auf hart gekochten Eiern… «
Drinnen wurden bereits die ersten Reden gehalten. George nahm zwei Gläser von einem Tablett und reichte Charlotte eines davon. Es war frischer Ananassaft, gemischt mit irgendeinem scharfen alkoholischen Getränk, aber es schmeckte ausgezeichnet. Sie spürte, wie er unbefangen den Arm um ihre Schultern legte, und da sie weit hinten zwischen den indischen Geschäftsleuten standen, lehnte sie sich verstohlen an ihn. Sie lauschten den schwülstigen Worten eines Kolonialbeamten, der die Kaiserin als Beschützerin der deutschen Kolonien bezeichnete und zugleich die großen Errungenschaften der Verwaltung in Deutsch-Ost hochhielt.
» Hast du gesehen? « , wisperte George ihr ins Ohr. » Dieser Willy de Roy hat sich tatsächlich unter die Gäste gemischt. Dort rechts steht er mit Block und Bleistift, die Ohren gespitzt. «
Der Mann, auf den George mit dem Kinn deutete, wirkte auf Charlotte völlig unscheinbar, auf der Straße hätte sie ihn vermutlich übersehen. Das also war der gefürchtete Herausgeber der Deutsch-Ostafrikanischen Zeitung, der den Gouverneur als » Negerfreund « diffamiert, die Afrikaner » reine Arbeitstiere « genannt und den Bestrebungen von Rechenbergs, die Landwirtschaft der Afrikaner zu fördern, einen erbitterten Kampf angesagt hatte. Willy de Roy hatte die deutschen Pflanzer hinter sich und schürte fleißig deren Hass auf den Gouverneur, der nur wenig Mittel hatte, sich gegen die boshafte Feder des Journalisten zu wehren.
Sie leerte ihr Glas und spürte, dass der Alkohol ihr in den Kopf stieg. Was für eine eigenartige Menschenansammlung sich in diesem schmucklosen Raum zusammengefunden hatte! Ja, schmucklos war das rechte Wort, einzig und allein eine Handvoll Gemälde deutscher Landschaften und Persönlichkeiten der Geschichte verliehen den weiß getünchten Wänden ein wenig Farbe, allen voran die Bilder des Kaiserpaares, die heute von frischem Lorbeer umkränzt waren. Auch die Europäer sorgten mit ihrer Kleidung nicht gerade für Frische, sie waren fast ausnahmslos in Weiß gekleidet, wohingegen bei den Indern und den wenigen Arabern bunte, das Auge erfreuende Farben und glänzende Seidenstoffe vorherrschten. Afrikaner befanden sich nicht unter den geladenen Gästen; die einzigen Schwarzen waren die Diener, die lange weiße Gewänder und Kappen trugen und mit ihren Tabletts zwischen den
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