Sanfter Mond über Usambara
Gästen umhereilten.
Die zum Glück letzte Rede hielt Gouverneur von Rechenberg, sie war als einzige Ansprache auch an die indischen Kaufleute gerichtet. Er dankte ihnen für ihr zahlreiches Erscheinen und sprach von einer europäisch-indischen Gesellschaft der Gewerbetreibenden.
Als ob sie das noch nötig hätten, dachte Charlotte. Kamal Singh fiel ihr ein, der trotz aller Anfeindungen durch die deutsche Kolonialbürokratie so unfassbar reich geworden war.
Die Veranstaltung nahm ihr offizielles Ende mit einem dreifachen » Hurra « auf das Kaiserpaar, jemand stimmte » Heil dir im Siegerkranz « an, und ein Teil der Anwesenden sang nach Kräften mit, während der andere Teil betreten schwieg.
» Was er will, ist unter den gegebenen Umständen vielleicht das Beste « , bemerkte George und drückte ihr ein zweites Glas in die Hand. » Aber ich fürchte, es wird eine Illusion bleiben. Eine Gesellschaft, in der Afrikaner, Inder, Araber und Deutsche gleichberechtigt miteinander leben– du meine Güte! «
Charlotte trank durstig, diesmal Mangosaft, der ein wenig bitter und stark nach Alkohol schmeckte.
» Weshalb sollte das nicht möglich sein? «
» Weil keine der Parteien das wirklich will. Am wenigsten die Deutschen. «
Inzwischen wurde schon eifrig Bier konsumiert, das auch einige Damen dem angebotenen Tee vorzogen. Es waren hauptsächlich Ehefrauen und Töchter deutscher Kolonialbeamter oder Offiziere, nur einige Engländerinnen und Französinnen befanden sich darunter, die in Begleitung ortsansässiger Geschäftsleute erschienen waren. Weder Inder noch Araber hatten ihre Frauen mitgebracht.
» Wir könnten jetzt doch eigentlich gehen, oder? « , flüsterte Charlotte.
Tatsächlich strebten bereits einige Gäste dem Ausgang zu, vor allem die Geschäftsleute, die nach ihren Läden sehen wollten. » Einen kleinen Augenblick noch, mein Schatz. Ich möchte dem Gouverneur gern meine bezaubernde Ehefrau vorstellen… «
» Deine bezaubernde Ehefrau hat einen Schwips… «
» Umso besser! «
George führte Charlotte zwischen den Gästen hindurch, die sich inzwischen zu Grüppchen zusammengefunden hatten. Man blieb unter sich, indische und goanesische Geschäftsleute tauschten Neuigkeiten aus, arabische Händler unterhielten sich in ihrer Heimatsprache, die niedere deutsche Beamtenschaft mischte sich nicht unter die höheren Ränge. Nur die Damen saßen zwanglos beieinander, doch auch hier schien es eine ganz bestimmte Rangfolge zu geben, die sich in Haltung und Sprechweise ausdrückte und die ohne Zweifel mit der Position des Ehemannes zusammenhing. George kümmerte sich wenig darum, er grüßte im Vorübergehen allerlei Bekannte, gleich welcher Herkunft und Position, schüttelte seinem indischen Kollegen Dr. Kalil die Hand und begrüßte einen der schwarzen Diener, dessen Mutter er vor einigen Tagen in der Klinik behandelt hatte. Niemand schien es ihm zu verübeln. Charlotte hatte die Gewandtheit, mit der George sich in Gesellschaft bewegte, immer bewundert– es fiel ihm leicht, Sympathien zu gewinnen, und doch wusste sie, dass er in Wahrheit keinen einzigen wirklichen Freund besaß. George Johanssen schottete sein Innerstes sorgfältig ab, selbst die Frau, die er liebte, ließ er nur zögernd in diese verbotenen Kammern eintreten.
Der Gouverneur befand sich im Gespräch mit zwei jungen Offizieren, einem Oberstleutnant und einem Leutnant, die offensichtlich frisch aus der deutschen Heimat gekommen waren. Man redete über den neuen Stern am Opernhimmel, Enrico Caruso, dessen phänomenales hohes C auf dem Grammophon wie flüssiges Silber klang. Dann ging man zu der österreichischen Annektierung Bosniens und Herzegowinas über, gegen die England, Russland und Serbien schärfsten Protest eingelegt hatten. Deutschland unterstützte die Donau-Monarchie– ein kluger Schachzug, um den Russen und Serben die Machtgelüste zu verleiden.
» Es sind immer dieselben, die keine Ruhe geben « , empörte sich der junge Leutnant. » Aber wenn die Serben sich nicht fügen, werden wir ihnen mit Leichtigkeit eins aufs Maul hauen! «
Von Rechenberg schien anderer Meinung zu sein, doch er unterbrach die Diskussion, um sich Dr. George Johanssen und seiner Gattin zuzuwenden. Trotz seines unschönen Aussehens besaß der Gouverneur ein gewinnendes Lächeln und küsste Charlotte mit einer leichten, fast anmutigen Bewegung zur Begrüßung die Hand. Von Rechenberg war schon Ende vierzig, aber immer noch unverheiratet, was seinen
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