Sanfter Mond über Usambara
Gegnern zu allerlei boshaften Vermutungen Anlass gab.
» Aus Ostfriesland kommen Sie, gnädige Frau? Das hätte ich, ehrlich gesagt, nie erraten. Und wie ich hörte, schreiben Sie auch? «
» Gelegentlich… « , erwiderte Charlotte, die sich große Mühe gab, sich ihren Schwips nicht anmerken zu lassen.
Von Rechenberg fragte sie geschickt aus und hatte schon bald herausgefunden, dass sie vor Jahren einen Laden in der Inderstraße geführt und später auf einer Plantage am Kilimandscharo gelebt hatte. Nun besaß sie also eine Pflanzung in den Usambara-Bergen, was sie denn da anbaue? Kaffee? Soso. Sie wolle es auch mit Sisal versuchen? Sehr gut. Weshalb nicht mit Kautschuk? Ob sie denn einen tüchtigen Verwalter habe? Einen Norweger? Ja, diese alten Wikinger kämen viel herum…
Sein Lachen klang abgehackt, als gönne er sich nur einen kurzen Augenblick der Heiterkeit, um sich gleich darauf wieder auf das Gespräch zu konzentrieren. Vermutlich führte er eine Art innere Kartei, in der er all diese Informationen festhielt und bei Bedarf wieder hervorholte. Auch George musste sich seinen Fragen stellen, seine Antworten fielen jedoch weniger präzise aus, und Charlotte begriff, dass ihr Mann– obgleich er von Rechenberg doch schätzte– nicht bereit war, allzu viel über sich selbst preiszugeben.
» Ich schätze Ihre Artikel außerordentlich, Dr. Johanssen. Vor allem Ihre ärztliche Tätigkeit auf Sansibar… «
Der Gouverneur berichtete ein wenig über seine Zeit als Konsul auf der Gewürzinsel und flocht geschickt neue Fragen an George ein, die dieser jedoch klug umschiffte. Die Zeit verstrich, und Charlotte wurde langsam nervös.
» Haben Sie von den vielen Pockenfällen gehört, Dr. Johanssen? Besonders am Kilimandscharo und in Usambara häufen sie sich in letzter Zeit. Auch im Gebiet der Zentralbahn sind Epidemien aufgetreten… «
» Ja, ich hörte davon. Es werden auch immer wieder Pockenkranke in die Klinik gebracht– tragisch, denn wenn die Krankheit einmal ausgebrochen ist, kommt unsere Hilfe zu spät. Das Einzige, was wir tun können, ist, die Angehörigen zu impfen. Aber leider erreichen wir nur wenige… «
» Richtig. Wir planen für das kommende Jahr eine groß angelegte Impfaktion, um so viele Eingeborene wie möglich zu schützen. Dazu brauchen wir natürlich genügend Freiwillige, vornehmlich Ärzte… «
Charlotte erschrak. Wollte er George tatsächlich nötigen, mit einer Gruppe Kollegen umherzureisen, um die Eingeborenen gegen die Pocken zu impfen? Großer Gott, so notwendig und verdienstvoll diese Arbeit auch sein mochte– George war nicht gesund, das Fieber konnte auf solch einer anstrengenden Reise leicht wieder ausbrechen.
» Nun– ich halte das für eine gute Sache. Wenn meine Tätigkeit in der Klinik es zulässt, stehe ich gern zur Verfügung. «
» Das soll ein Wort sein, Dr. Johanssen. Frau Johanssen– ich wäre erfreut, Sie bald wiederzutreffen, Feste und Feiern gibt es ja zum Glück genügend bei uns. Es war mir ein großes Vergnügen… «
Er deutete eine Verbeugung an, griff nach einem neuen Glas und wandte sich dann einem Inder zu, der geduldig auf die Chance, mit ihm zu sprechen, gewartet hatte. Charlotte spürte Georges Arm, der sich leicht um ihre Schultern legte und sie zum Ausgang des Festraums dirigierte.
» Musstest du ihm das versprechen? «
» Nur wenn meine Arbeit in der Klinik es zulässt, mein Schatz. Und ich glaube nicht, dass das der Fall sein wird. «
Von draußen drang Hundegebell zu ihnen herein, doch nicht nur das: Ein dumpfes Grollen kündigte ein nahendes Unwetter an.
» Wem gehörte diese verdammte Töle? « , brüllte ein junger Offizier mit heiserer Stimme. Er hatte ganz offensichtlich ein paar Gläser zu viel getrunken, sein Gesicht war gerötet, sein Blick glasig. » Wenn das Biest nicht gleich zu jaulen aufhört, knalle ich es ab! «
» Der Hund gehört mir « , wandte sich Charlotte an den Betrunkenen. » Falls Sie es wagen, die Waffe auf ihn zu richten, kratze ich Ihnen die Augen aus! «
» Nehmen Sie sich in Acht, junger Freund « , fügte George grinsend hinzu. » Sie tut es wirklich. «
Unter dem säulengetragenen Vorbau des Gouverneurspalastes warteten einige Gäste auf ihre schwarzen Diener, die sie ausgeschickt hatten, eine Rikscha oder wenigstens einen Regenschirm zu besorgen. Der Himmel, noch vor einer Stunde zartblau, hatte sich mit unheilschwangeren Wolken bezogen. Krachende Donnerschläge näherten sich vom Meer her und
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