Sanfter Mond über Usambara
ihre Kinder seien durch das Impfen an den Pocken erkrankt. «
» Das ist nahezu unmöglich « , widersprach er leicht verärgert. » Die Lymphe wird aus dem Schorf der Kuhpocken hergestellt, von denen Menschen gar nicht befallen werden können. Man nennt es Vakzination… «
» Wann brechen wir auf? «
» Denk nur nicht, dass es eine Abenteuerreise wird, mein Schatz. Du wirst mich bei meiner Arbeit unterstützen, und dazu werde ich dich anleiten. «
Sie war begeistert, hörte sich aufmerksam seine Erklärungen an und besah voller Ehrfurcht die Instrumente, die Verbände und die kleinen Glasfläschchen mit der Lymphe. Ihre Aufgabe war es, all diese Dinge auf einem weißen Tuch aufzustellen und ihm das Nötige zu reichen. Später hatte sie die Fläschchen wieder zu verschließen, die Lanzetten zu reinigen und alles zu verpacken. Es war keine große Sache, aber sie hatte teil an seiner Arbeit, und das machte sie stolz. Außerdem gedachte sie, ihre Kamera mitzunehmen und eine Reihe ungewöhnlicher Aufnahmen mit nach Hause zu bringen.
Ende Januar, als die Wege im Gebirge nach der Regenzeit wieder gangbar waren, reisten sie mit der Usambara-Bahn durch die blühende Savanne. In Mombo wartete Schammi mit dem Maultierwagen, um Elisabeth nach Neu-Kronau zu bringen. Dort würde sie solange bleiben, bis Charlotte und George von ihrer Mission zurückkehrten und sie mit zurück nach Daressalam nahmen. Schammi war Charlotte ungewöhnlich wortkarg erschienen. Sie meinte, einen stummen Vorwurf in seinen Augen zu lesen– doch in ihrer glücklichen Aufregung kümmerte sie sich nicht darum. Vermutlich hatte er den Zorn des Verwalters Husdahl auf sich gezogen und einen seiner unkontrollierten Wutausbrüche über sich ergehen lassen müssen. Nun– Klara würde ihn schon zu trösten wissen.
Der Ritt in den Norden des Gebirges war anstrengend, denn George verabscheute die Fahrstraßen und führte die Reisegruppe stattdessen auf den Pfaden der Eingeborenen durch unwegsames Gelände. Überwältigend schön, in zarte Morgennebel gehüllt, tat sich die Natur vor ihnen auf. Kein Weißer konnte die Pflanzen und Baumarten benennen, die in den unberührten Wäldern wucherten, auch die bunten Blumen, die die Bergwiesen bedeckten, waren ihnen nur zu einem kleinen Teil bekannt. In den dichten, kühlen Wäldern wanden sich Blütenranken an den Urwaldriesen empor und betäubten die Reisenden mit einem süßlichen Duft, der an Hyazinthen oder Jasmin erinnerte. Wasser tropfte von den Felsen herab und versickerte mit leisem Glucksen zwischen den Farnen; farbenprächtige Eidechsen sonnten sich auf dem grauen Felsgestein, und immer wieder lockte das Rauschen eines Wasserfalles die Reisenden. Nie zuvor hatte Charlotte derart üppige Farbenspiele wie die schimmernden Regenbögen über den Katarakten gesehen. In zarten, weißlichen Bändern stürzte das Wasser den Berg hinab, verschwand zwischen dem grünen Blattwerk, tauchte an anderer Stelle wieder auf, um sich erneut in die Tiefe zu ergießen, und wurde schließlich am Fuß des Berges zu hoch aufschäumenden Wolken, die schon aus weiter Ferne zu sehen waren. Trotz aller Strapazen, Insektenstiche, zerkratzten Gliedern und anderen Unannehmlichkeiten empfand Charlotte ein unbeschreibliches Glücksgefühl. Sie teilte mit George all diese Schönheit, aber auch alle Gefahren, sie spürte sein Bemühen, sie zu schützen, und versuchte doch zugleich, ihm hilfreich zur Seite zu stehen. In den Nächten lagen sie beieinander im Zelt, lauschten auf das Knistern des niederbrennenden Feuers und die leisen Gespräche ihrer Begleiter, bis auch diese verstummten und nur noch die Rufe der Nachtvögel und das Knarren der hohen Bäume zu hören waren, die der Wind leise bewegte.
Wieder lernte sie ihren Mann von einer neuen Seite kennen. George leitete die kleine Reisegruppe äußerst umsichtig, bei wichtigen Entscheidungen pflegte er sowohl die Meinung der Askari als auch die der übrigen Begleiter einzuholen, welche in der Mehrzahl christianisierte Waschamba waren. Dann erst erteilte er leise und mit ruhiger Stimme seine Anweisungen, die auf der Stelle befolgt wurden. In den Dörfern hatte er sich nur zu Anfang auf den Dolmetscher verlassen, später sprach er die Bewohner selbst an, erklärte ihnen, weshalb er gekommen war, und vergaß niemals, seine Dienste als daktari anzubieten. Er zeigte Respekt vor den Heilmethoden der Medizinmänner, und wenn es zu einer Begegnung kam, begrüßte er sie als gleichwertige
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