Sanfter Mond über Usambara
und Gewitterregen eine Kiste Whisky aus dem Stall schleppte, um ihr fünf Flaschen davon zu überlassen? Ob das am Ende sein gesamter Vorrat gewesen war? Nun, wie auch immer, er hatte es zum dritten Mal geschafft, sie mit einem Geschenk gründlich zu verärgern.
Sie stieß dem Maultier die Fersen in die Seiten und spürte, wie das aufspritzende Pfützenwasser ihre Hosenbeine sprenkelte. Simba rannte neben ihr her, sah immer wieder zu seinem Frauchen auf und schien den Ausflug genau wie sie selbst zu genießen. Drüben am Teich schwirrten feuerrote Libellen über die Wasserfläche, gelbe und weiße Schmetterlinge flogen taumelnd über die Wiesen, auf die vor einer halben Stunde noch der tropische Platzregen niedergegangen war. Die Berge waren nebelumwölkt, doch an den Hängen rissen die Schleier hie und da auf, die ersten zaghaften Sonnenstrahlen brachten das feuchte Glimmergestein zum Glitzern. Farn wuchs in dichten Büscheln, einsame Urwaldriesen, die von den Blitzen verschont geblieben waren, ragten in die Höhe, auf schrundigem Fels gediehen blühende Büsche. An den steilen Hängen im Westen konnte sie sogar die hellen Bänder der Wasserfälle erkennen, weiter hinten verloren Berge und Gipfel mehr und mehr ihre Konturen und wurden zu grauen Schattengebilden.
Der Regen machte die Weiden fett und ließ allerlei Kräuter und Blüten an den Wegrändern wachsen, leider schoss auf den Äckern auch das Unkraut aus dem Boden. Bei den Kartoffeln und zwischen den jungen Maispflanzen waren ihre Schwarzen schon an der Arbeit, man hörte ihre rhythmischen Wechselgesänge, nach denen sie die Hacken schwangen. Charlotte stieg ab und vergewisserte sich, dass keine Schädlinge am Kartoffelkraut waren, die Sisalpflanzen würde sie heute gar nicht anschauen, sie konnte nur hoffen, dass sie in der Nässe keinen allzugroßen Schaden nahmen. Und die Kaffeeblüten? Sie sog tief die Luft ein, doch außer dem Duft der feuchten Erde konnte sie nur den Geruch blühender Akazien wahrnehmen. Drüben bei den Viehweiden gab es einen kleinen Akazienhain, vermutlich wehte der Wind den Duft zu ihr herüber.
Sie ritt auf einen flachen Hügel, um die Pflanzungen der Arbeiter besser sehen zu können. Jede Familie hatte eine bestimmte Parzelle Land erhalten, die von den Frauen mit Mais, Bananen, Hirse, Maniok und Bohnen bepflanzt wurde. Tatsächlich sah sie die schwarzen Frauen und Mädchen eifrig in den Gärten arbeiten und schüttelte lächelnd den Kopf über die Afrikaner, die keine abgezirkelten Beete wie die Deutschen anlegten, sondern die Pflanzen in fröhlicher Eintracht durcheinanderwachsen ließen. Eine Weile musste sie auf Simba warten, der den Bau eines kleinen Nagers ausbuddelte, welcher längst durch den Hinterausgang geflüchtet war. Gemächlich ritt sie weiter, schnupperte immer wieder prüfend und überlegte, ob es wirklich Akazienduft war, den sie da wahrnahm, oder vielleicht doch etwas anderes, zarteres, weniger süß, dafür aber lieblicher…
Ein Stück weiter erhob sich ein Schwarm Stare aus den Eukalyptusbäumen, kreiste lärmend über den Wiesen und zog anschließend nach Süden in Richtung der Viehweiden. Nachdenklich setzte Charlotte ihren Weg fort. Sie hatte die restlichen Briefe nicht einmal geöffnet, vermutlich waren ein paar Rechnungen dabei, möglicherweise kündigte ein Interessent für den Verwalterposten seinen Besuch an. Die Krügers, die ihr damals Björn Husdahl schickten, hatten den Kontakt inzwischen stark eingeschränkt, vermutlich hatten einige von Georges Zeitungsartikeln sie verärgert. Es war schade, aber nicht zu ändern. Wenn die Krügers ihnen tatsächlich aus diesem Grund die Freundschaft kündigten, dann konnte sie gut und gerne auf sie verzichten. Sie musste wieder an Kamal Singh denken. Was, wenn er ihr tatsächlich etwas vererben wollte? Wie kam er überhaupt dazu, sie in seinem Testament zu bedenken? Je länger sie über das mysteriöse Schreiben seines Anwalts nachdachte, desto unangenehmer war ihr das Ganze. Und dann Kamal Singhs Brief! Schrieb er nicht von einer Erinnerung, die ihn vierzig Jahre lang verfolgt hatte und die in irgendeiner Weise mit ihrer Familie in Zusammenhang stand? Vermutlich war es keine allzu gute Erinnerung.
Für einen Augenblick tauchte einer der hohen Berggipfel aus den Wolken auf, und Charlotte konnte seine gezackte Form erkennen. Schroff und abweisend ragte der graue Fels vor dem hellen Hintergrund auf, an einigen Stellen von Zedern und Fichten bewachsen.
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