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Sanfter Mond über Usambara

Sanfter Mond über Usambara

Titel: Sanfter Mond über Usambara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Bach
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überließ ihr zwar nicht ungern die Organisation des Haushalts in Daressalam, doch es hätte ihn wenig gestört, wenn sie dazu keine Lust gehabt hätte.
    » Und Elisabeth soll deiner Meinung nach nicht auf die Ehe vorbereitet werden? «
    » Das habe ich nicht gesagt. Aber es wäre schade um ihre Fähigkeiten, wenn es nur dabei bleiben sollte. Hast du gelesen, dass es in Preußen inzwischen Gymnasialkurse für Mädchen und sogar Mädchengymnasien gibt? «
    Davon hatte sie tatsächlich gelesen, es allerdings nicht so recht glauben wollen. Wie hatte sie damals Cousin Paul beneidet, der das Gymnasium in Leer besuchen durfte, während sie selbst nur auf die ganz normale Volksschule ging, wie alle anderen Mädchen auch. Und heute sollte es möglich sein, dass eine Frau an einer Universität studierte!
    Sie sah George mit einem zärtlichen Lächeln an. Es passte zu ihm, dass gerade er sich für diese Sache einsetzte, während so viele Männer darüber nur die Köpfe schüttelten. Es gab sogar namhafte Wissenschaftler, die beweisen wollten, dass das weibliche Gehirn wegen seines geringeren Gewichts weniger leistungsfähig als das männliche sei, weshalb eine Frau unmöglich ein Universitätsstudium absolvieren könne.
    » Dann hast also du ihr diesen Floh ins Ohr gesetzt « , stellte sie amüsiert fest. » Sie erzählte mir schon bei der Begrüßung, dass sie Ärztin werden wolle. «
    Er grinste. » Ich denke, wir sollten es wagen, Charlotte « , sagte er dann. » Deine Tochter wird bald zehn Jahre alt, und ihre Bildung ist reichlich kraus. Sie hat allerlei Nützliches und Überflüssiges in verschiedenen Schulen gelernt, dazu habe ich ihr einiges über Literatur und Medizin vermittelt. Aber wenn sie jetzt nicht bald eine geregelte Schule besucht, wird sie es schwer haben… «
    Gerade eben hatte Charlotte seinen Vorschlag noch für großartig, mutig und fortschrittlich gehalten und hätte ihn am liebsten dafür geküsst, doch plötzlich wurde ihr bewusst, dass es nicht nur um schöne Ideen ging– Elisabeth sollte ein Mädchengymnasium besuchen, und das ziemlich bald.
    » Aber… aber hier in Afrika gibt es so etwas nicht… «
    Er hob die Arme und schob beide Hände unter den Nacken, dann sah er wieder zu ihr hinüber. Diesmal war sein Blick ernst.
    » Nein, Charlotte. Zu diesem Zweck müsste Elisabeth nach Deutschland reisen. Solche Mädchengymnasien sind alle in privater Hand, wir müssten uns gemeinsam für eines entscheiden und Elisabeth in einer Familie unterbringen… «
    Sie schwieg. Wusste er, was er da von ihr verlangte? Sie sollte Afrika verlassen und mit ihm nach Deutschland reisen, nach Preußen womöglich, wo immer noch Elisabeths Großeltern und Onkel auf ihrem großen Gutshof in Brandenburg lebten und vielleicht Ansprüche auf das Mädchen erhoben? Was würde geschehen, wenn sie dort in einer Familie lebte, und plötzlich stünden die Großeltern vor der Tür, um die Enkelin zu sich zu nehmen? Würde es wirklich etwas nützen, dass George Elisabeth adoptiert hatte? Womöglich würde sie ihr Kind für immer verlieren.
    » Ich weiß, dass dies ein Entschluss ist, der lange und sorgfältig überlegt sein will, Charlotte. Elisabeth ist deine Tochter, aber ich habe sie adoptiert, und dir sollte klar sein, wie sehr ich an ihr hänge. «
    » Das weiß ich doch, George « , murmelte sie und verzog schmerzlich das Gesicht. » Aber ich liebe sie– wie sollte ich da mein Mädchen nach Deutschland schicken? So unendlich weit weg… «
    » Überlege in aller Ruhe, Charlotte. Wir werden sie besuchen und vielleicht einen Teil des Jahres in ihrer Nähe verbringen… «
    Er hatte noch andere Vorschläge, wollte mit ihr nach Kairo ziehen, sich in Marokko niederlassen, vielleicht auch in Italien. Von dort aus sei es nicht ganz so weit nach Deutschland, man könne einander besuchen, Elisabeth wäre in den Ferien bei ihnen. Sie könnten auch dort Land erwerben und es bebauen, einen Handel beginnen oder sogar ein Photostudio eröffnen.
    » Vielleicht « , murmelte sie und schloss müde die Augen. » Ich muss das alles überschlafen. «
    Oh, wie gut sie jetzt ihre Großmutter Dirksen in Leer verstehen konnte. Niemals und unter keinen Umständen hätte Grete Dirksen die kleine Enkelin Charlotte fortgegeben. Und schon gar nicht eine ihrer Töchter. Doch waren die Mütter und Großmütter wirklich allesamt grausame Egoistinnen?
    Sie spürte, wie George sich über sie neigte und ihre Stirn küsste. Er zupfte ihre Bettdecke zurecht,

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